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Koalitionsvertrag

Mit Lauterbach und Ampel in die Zukunft

»Mehr Fortschritt wagen« – so haben SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag genannt. Die Aussagen darin lassen auf Reformen im Apothekenmarkt schließen, werfen aber auch Fragen auf. Unsicher ist, wie sich der Berufsstand der Apotheker mit dem neuen Bundesgesundheitsminister arrangiert.
Jennifer Evans
05.01.2022  13:30 Uhr

Das knapp 180-seitige Dokument der Ampel-Parteien befasst sich recht ausführlich mit den Apotheken. Fest steht: Die Offizinen stehen vor erheblichen Veränderungen. Nicht zuletzt kündigten die drei Parteien ein zweites Apotheken-Stärkungsgesetz an. Darin wollen sie unter anderem mehr Geld für pharmazeutische Dienstleistungen verankern. Gleichzeitig ist von »Effizienzgewinnen innerhalb des Finanzierungssystems« die Rede. An dieser ­Stelle, wie auch in anderen Passagen des Vertrags, könnte zwischen den Zeilen noch mehr stecken.

Ziemlich klar ist: SPD, Grüne und FDP wollen die Arzneimittelversorgung auf dem Land in Notfallzentren verbessern, indem sie die Apothekenbetriebsordnung flexibilisieren. Durchaus möglich ist, dass dahinter Abgabetresen für Arzneimittel stecken. Das ist zumindest eine Forderung der Grünen. Offen bleibt, wer sie betreiben wird.

Grüne Handschrift

Ebenfalls eine grüne Handschrift trägt das Vorhaben, den Nacht- und Notdienstfonds zu einem Sicherstellungsfonds umzuwandeln. In den vergangenen Jahren wollten die Politiker der Grünen bereits kleineren Apotheken auf dem Land mehr Geld pro Rx-Packung zukommen lassen, während sie bei den größeren umsatzstarken Betrieben kürzen wollten. Wo aber soll die Grenze zwischen großem und kleinem Betrieb verlaufen? Ein solches Konzept könnte sich jedenfalls hinter den Worten »Sicherstellungsfonds« oder »Effizienzgewinne« verbergen. Ein Blick nach Dänemark zeigt: Dort existiert bereits ein Fonds, der Zahlungen an finanzschwächere Offizinen ausschüttet.

Denkbar wäre auch, dass die Koali­tionäre dem Fixhonorar an den Kragen wollen, um das Finanzierungssystem effizienter zu machen. In der Vergangenheit hatten ebenfalls die Grünen eine Umverteilung zugunsten kleiner Apotheken angeregt. Und wollten über eine packungsunabhängige Vergütung die Vorteile der umsatzstarken (Versand-)Apotheken abfedern.

Die gute Nachricht: Mit einem zweiten Apotheken-Stärkungsgesetz soll mehr Geld für die pharmazeutischen Dienstleistungen fließen. Außerdem planen die Ampel-Partner, künftig jene Erleichterungen beizubehalten, die sich während der Pandemie bewährt haben. Weniger Dokumentationspflichten in allen Bereichen des Fünften ­Sozialgesetzbuchs (SGB V) kommt wohl aus der liberalen Ecke der Vertragspartner. Sehr wahrscheinlich ist mit solchen Erleichterungen auch der neue Spielraum bei der Abgabe von Arzneimitteln gemeint.

Lieferengpässe sind generell ein Thema, das die Ampel anpacken will. Einig sind sich die Parteien, die Arzneimittelherstellung inklusive der Wirk- und Hilfsstoffproduktion wieder mehr auf Deutschland und die EU zu konzentrieren. Im Koalitionsvertrag ist von Zuschüssen für die Versorgungssicherheit die Rede, die womöglich im Vorfeld über die Rabattverträge geregelt werden könnten. Attraktiver gestalten wollen die Politiker künftig die Selektivverträge.

Als weitere Lehre aus der Pandemie lässt sich ihr Vorhaben werten, eine dezentrale Bevorratung von Arzneimitteln und Medizinprodukten ins Leben zu rufen und dafür ein »Gesundheits­sicherstellungsgesetz« zu schaffen. Unklar bleibt, ob die Apotheken diese Vorratslager füllen oder betreiben sollen.

Wesentlich konkreter wird es, wenn es um die Weiterentwicklung des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) geht. Der verhandelte Erstattungspreis soll bereits ab dem siebten Monat nach Markteintritt gelten – und nicht erst nach einem Jahr. Zudem sollen die Kassen demnächst die Arzneimittelpreise besser begrenzen können. Aber Achtung: Da die Vergütung für Apotheken aufgrund der 3-Prozent-Marge unter anderem vom Arzneimittelpreis abhängt, könnten diese Pläne spannend werden.

Bei der Cannabis-Abgabe zu Genusszwecken haben sich offenbar ebenfalls die Grünen-Politiker durchgesetzt. Denn dafür soll es demnächst lizenzierte Geschäfte geben, die auf die Qualität der Substanzen achten. Wer jedoch solche Lizenzen erwerben kann, bleibt offen. Die FDP hätte ursprünglich gern die Apotheken einbezogen.

Mehr Tempo für Digitales

Gas geben wollen SPD, Grüne und FDP in puncto Digitalisierung. Arznei-, Heil- und Hilfsmittelverordnungen sowie Videosprechstunden, Telekonsile, Tele­monitoring und die telenotärztliche Versorgung sollen künftig Teil der Regelversorgung sein. Beschleunigen wollen sie auch die Einführung von ­E-Rezept und elektronischer Patientenakte (EPA). Ob die Apotheken bald auf die EPA zugreifen dürfen, ist nicht expliziert ausgeführt. Außerdem soll die Gematik »zu einer digitalen Gesundheitsagentur« ausgebaut werden. Auch in diesem Punkt geht der Vertrag nicht ins Detail.

Fest steht: Weder an der Digitalisierung noch am Versandhandel führt ein Weg vorbei – darauf müssen sich die Apotheker einstellen. Gut beraten scheint zu sein, wer der Aufbruchsstimmung der Koalitionäre optimistisch ­begegnet. Immerhin sprechen sie von »einem neuen Anfang« für das Land.

Das gilt übrigens auch für den neuen Bundesminister für Gesundheit. Professor Karl Lauterbach (SPD) spielte in der Vergangenheit nicht gerade im Team der Vor-Ort-Apotheke. Er ist ein bekennender Freund des Versandhandels, wie er nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rx-Preisbindung im Jahr 2016 deutlich machte und dann auch die Abschaffung der Festpreise forderte. Andererseits hält Lauterbach die Beratungskompetenz der Pharmazeuten für unzureichend ausgeschöpft und brachte schon früh ein Beratungshonorar ins Spiel. Auch er hat wohl spätestens in der Pandemie festgestellt, dass es von Vorteil ist, auf die wohnortnahe Versorgung mit ihren dezentralen Strukturen zu setzen. Zumindest hat man das Gefühl. Vielleicht gibt es ja doch noch ein Happy End zwischen den Apothekern und dem SPD-Mann.

Die ABDA hebt in ihrer Einschätzung zum Fahrplan für die Legislaturperiode einige positive Aspekte hervor. Unter anderem freut sich die Standesvertretung über die Regierungspläne, die pharmazeutischen Dienstleistungen zu stärken, die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu forcieren und administrativen Ballast abzuwerfen.

Gute Pläne sind die eine Sache, messen lassen müssen sich Ampel-Partner aber daran, was sie tatsächlich umsetzen. Für die Apotheker dürften die kommenden vier Jahre aufregend werden, denn die Gesundheitspolitiker haben sie nicht zuletzt aufgrund ihres Einsatzes während der Pandemie fest im Blick.

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