Mikroplastik gelangt auch ins Blut |
Annette Rößler |
01.04.2022 09:15 Uhr |
Plastik ist meist kaum abbaubar, sondern zerbröselt zu immer kleineren Teilchen. Sind diese kleiner als 5 mm, spricht man von Mikroplastik. Dieses wurde nun erstmals auch im Blut von Menschen nachgewiesen. / Foto: Adobe Stock/gradt
Als Mikroplastik gelten gemeinhin Plastikteilchen, die zwischen 0,1 µm und 5 mm groß sind. Sie stammen etwa aus Reinigungs- und Poliermitteln, Medizinprodukten und Kosmetika sowie aus Abrieb von größeren Plastikteilen, zum Beispiel Autoreifen, Schuhsohlen oder Flaschen. Nanoplastik hat mit weniger als 0,1 µm eine noch kleinere Partikelgröße.
Als langlebiges Material reichert sich Plastik in Form von Mikro- und Nanoplastik in der Umwelt an und gelangt über die Nahrungskette auch in den Menschen. Pro Woche nehme jeder Mensch über Lebensmittel und Trinkwasser etwa 5 g Mikroplastik zu sich – etwa so viel wie eine Kreditkarte. Das berichtet ein Team um Dr. Elisabeth Gruber von der Medizinischen Universität Wien aktuell im Fachjournal »Exposure and Health«.
Trotz dieser doch recht großen Menge sehen bislang weder das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) noch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine gesundheitsschädliche Wirkung von Mikro- und Nanoplastik als belegt an. Beide Institutionen weisen aber darauf hin, dass die verfügbaren Daten für eine abschließende Beurteilung noch nicht ausreichen und dass weiterer Forschungsbedarf besteht.
Gruber und Kollegen fassen in ihrem Artikel den aktuellen Kenntnisstand zusammen. Sie berichten, dass Mikroplastik im Darm die Zusammensetzung des Mikrobioms verändern kann, was möglicherweise die Entstehung von Typ-2-Diabetes, Fettleibigkeit und chronischen Lebererkrankungen fördert. Wenn Mikro- und vor allem Nanoplastik von Darmzellen aufgenommen werde, könne das zudem lokale Entzündungs- und Immunreaktionen auslösen und langfristig womöglich das Darmkrebsrisiko erhöhen. Um diese Vermutungen zu bestätigen oder zu widerlegen, müssten die genauen Mechanismen der Interaktion zwischen Körperzellen und Plastikteilchen dringend genauer untersucht werden.
Im Fachjournal »Environment International« veröffentlichten Forscher um Professor Dr. Heather Leslie von der Vrije Universiteit Amsterdam jetzt einen Beleg dafür, dass bei der Beurteilung der gesundheitlichen Folgen der Mikroplastik-Exposition der gesamte Körper in den Blick genommen werden muss. Sie berichten nämlich, dass Mikroplastik ab einer Teilchengröße von 0,7 µm auch im Blut nachweisbar ist. Bislang hatte man Mikroplastik zwar im Gastrointestinaltrakt, aber noch nicht im Blut gefunden.
Die Gruppe um Leslie hatte das Blut von 22 anonymen Blutspendern mit einem eigens entwickelten Analyseverfahren gaschromatografisch und massenspektrometrisch auf fünf verschiedene Kunststoffpolymere untersucht. Bei fünf Probanden wurde sie nicht fündig, bei 17 (77 Prozent) dagegen schon. Insgesamt betrug die Konzentration von Mikroplastikpartikeln im Durchschnitt 1,6 µg pro ml Blut. Das entspricht etwa der Menge eines Teelöffels auf zehn Badewannen voll Wasser (1000 l).
Am häufigsten, nämlich bei elf Probanden, wiesen die Forscher Polyethylenterephthalat (PET) nach. Dieser Kunststoff wird unter anderem zur Herstellung von Plastikflaschen, Folien und Textilfasern verwendet. Bei acht Testpersonen fand sich Polystyrol im Blut, was unter anderem in Lebensmittelverpackungen eingesetzt wird. Polyethylen (PE), ebenfalls ein Folien- und Verpackungsmaterial, war in fünf Blutproben nachweisbar und Polymethylmethacrylat (PMMA), das wegen seiner Lichtdurchlässigkeit und Stabilität in vielen Industrieprodukten, aber auch in Medizinprodukten wie Zahnprothesen und -schienen sowie Intraokularlinsen enthalten ist, in einer Probe. Polypropylen (PP) wurde lediglich in Spuren gefunden, die für eine quantitative Bestimmung nicht ausreichten.
Laut einer Presseinformation der Vrije Universiteit sollen die gesundheitlichen Folgen der Mikroplastik-Exposition weiter untersucht werden. Koordiniert wird diese Forschung in den Niederlanden vom Microplastics and Human Health Consortium (MOMENTUM).