Metastasen bilden sich womöglich eher nachts |
Annette Rößler |
29.06.2022 14:00 Uhr |
Aus Sicht der Autoren legen ihre Ergebnisse nahe, dass bei der Untersuchung und Therapie von Patienten mit Tumorerkrankungen, die leicht metastasieren, die Tageszeit eine Rolle spielen sollte. Das halten auch zwei unabhängige Expertinnen aus Deutschland für möglich, weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass es sich hier zunächst um Grundlagenforschung mit geringer Teilnehmerzahl handelt. Zudem sei eine nicht standardisierte/validierte Methode zur Bestimmung der CTC verwendet worden, merkt Professor Dr. Tanja Fehm vom Universitätsklinikum Düsseldorf an. Es sei daher schwer zu beurteilen, ob tatsächlich ausschließlich CTC bestimmt wurden oder nicht etwa auch weiße Blutzellen, die bekanntermaßen einem zirkadianen Rhythmus unterliegen.
In früheren Arbeiten seien teils überhaupt keine tageszeitlichen Schwankungen bei den CTC festgestellt worden und teils – genau konträr zur aktuellen Publikation – ein Peak in der aktiven Phase. »Insgesamt muss dieses Phänomen und damit auch die Ergebnisse der Arbeit aus der Schweiz in einer größeren Kohorte von Patienten in einer multizentrischen Studie mit unabhängigen Personen bestätigt werden. Erst dann wird man absehen können, ob sich dies auf zukünftige Behandlungsmethoden auswirken wird«, lautet Fehms Fazit.
Professor Dr. Nadia Harbeck vom Klinikum der Universität München (LMU) nimmt mögliche praktische Konsequenzen in den Blick: »Sollte sich bestätigen, dass sich bestimmte Tumorzellen vor allem nachts, wenn wir schlafen, bilden, wäre das ja mit Blick auf die Behandlung im klinischen Alltag erst einmal schwierig. Die Patienten sitzen ja nicht nachts bei uns, sondern tagsüber. Allerdings bleibt ein Aspekt in der Arbeit unbeantwortet: Medikamente haben Halbwertszeiten, das heißt Krebsmittel, die mittags verabreicht werden, verlieren ja nicht unbedingt am Abend oder in der Nacht ihre Wirkung.« Man könne sich aber zum Beispiel fragen, ob Blutabnahmen zur Bestimmung von CTC nicht grundsätzlich frühmorgens erfolgen müssten. Bevor solche Entscheidungen getroffen werden, hält aber auch Harbeck weitere Untersuchungen für notwendig.