Merkel entschuldigt sich wegen Osterruhe-Kehrtwende |
dpa |
24.03.2021 14:32 Uhr |
Sie übernehme die volle Verantwortung für die Verunsicherung, sagte Merkel heute in Berlin. Letztlich sei die Idee der Osterruhe »mit bester Absicht« entworfen worden, aber de facto nicht umsetzbar. / Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS
Der ganze Vorgang habe zusätzliche Verunsicherung ausgelöst, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch in Berlin. »Das bedauere ich zutiefst und dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung.« Merkel übernahm dafür die volle Verantwortung. »Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler«, betonte sie. »Denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung. Qua Amt ist das so.«
Ein Fehler müsse als solcher benannt und vor allem korrigiert werden – »und wenn möglich hat das noch rechtzeitig zu geschehen«, sagte Merkel weiter. Die Idee sei »mit bester Absicht entworfen worden«, betonte Merkel. Man müsse es unbedingt schaffen, die dritte Welle der Pandemie zu bremsen. »Dennoch war die Idee der sogenannten Osterruhe ein Fehler. Sie hatte ihre guten Gründe, war aber in der Kürze der Zeit nicht gut genug umsetzbar, wenn sie überhaupt jemals so umsetzbar ist, dass Aufwand und Nutzen in einem halbwegs vernünftigen Verhältnis stehen«, sagte Merkel. Zu viele Fragen seien offen geblieben.
Zuvor hatte die Kanzlerin in einer kurzfristig angesetzten Konferenz den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ihre Entscheidung mitgeteilt. Auch die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag wurden informiert. Merkel wiederholte die im Kanzleramt vorgetragene Erklärung anschließend nochmals zum Beginn der Regierungsbefragung im Bundestag. Dabei entschuldigte sie sich auch bei den Abgeordneten. Bund und Länder hatten in der Nacht zu Dienstag unter anderem einen verschärften Oster-Lockdown vom 1. bis 5. April beschlossen, um das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben stärker herunter zu fahren.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die gekippte Osterruhe-Regelung als gemeinsam getroffene Entscheidung von Bund und Ländern. »Es sollte sich niemand aus der Verantwortung stehlen«, sagte der Finanzminister heute bei der Vorlage der Eckwerte der Regierung für den Bundeshaushalt 2022. Er hoffe, dass es nun keine »Erinnerungslücken« gebe. Zuvor hatte unter anderem NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) Merkel in Schutz genommen und gesagt, den Weg seien alle Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mitgegangen.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) appellierte an die Bevölkerung, die Tage über Ostern weiterhin als Ruhetage zu verstehen und keine Urlaubsreisen zu unternehmen. »Die Osterruhe ist nicht abgesagt, es sind nur keine Feiertagsregelungen für Gründonnerstag und Karsamstag gefunden worden«, sagte Ramelow heute in Erfurt. Das dynamische Wachstum bei den Infektionszahlen müsse gebrochen werden. »Ich fand es eine gute Idee«, machte Ramelow mit Blick auf die bislang angestrebte Feiertagsregelung klar. Er bedaure es, dass Merkel erkläre, sie trage die Verantwortung allein. »Denn tatsächlich tragen 16 Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin die Verantwortung«, sagte Ramelow.
FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner begrüßte die Rücknahme der Osterruhe. »Einen Fehler zu korrigieren, verdient Respekt«, schrieb er bei Twitter. Die Entscheidung sei richtig. »Allerdings ist der Vorgang Ausdruck des gesamten Managements der Pandemie«, fügte Lindner hinzu. Das Pandemiemanagement müsse unter Einbeziehung des Parlaments auf neue Grundlagen gestellt werden. »Wir sind zur Mitwirkung bereit.«
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch forderte die Kanzlerin auf, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. »Wir haben inzwischen eine veritable Vertrauenskrise gegenüber der politischen Führung des Landes«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio fragte die Kanzlerin später im Bundestag, ob sie nicht die Vertrauensfrage stellen müsse. »Ich habe meinen Worten von eben nichts hinzuzufügen«, antwortete Merkel darauf.
Die Grünen im Bundestag schließen sich einer solchen Forderungen nicht an. »Das Virus lässt sich auch von populistischen Wahlkampfspielen wie der Vertrauensfrage nicht aufhalten«, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Es brauche vielmehr von allen Seiten ernsthafte Bemühungen, aus der Krise zu kommen. »Einen Fehler einzuräumen, verdient Respekt«, sagte sie mit Blick auf die Entscheidung Merkels, die umstrittene Osterruhe zurückzunehmen.
Allerdings bleibe eine tiefe Vertrauenskrise. »Das Corona-Krisenmanagement der Regierung ist gescheitert.« Klar sei, dass die Runde der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin nicht länger der Ort der Entscheidungen sein könne. »Ab sofort müssen die relevanten Entscheidungen über die notwendigen Corona-Maßnahmen von Bundestag und Bundesrat getroffen werden.«