Mehr als eine Million Tote pro Jahr – Tendenz stark steigend |
Carolin Lang |
17.09.2024 10:30 Uhr |
Antibiotikaresistenzen werden zunehmend zum Problem. Zu diesem Ergebnis kommt eine globale Analyse. / Foto: Getty Images/Ted Horowitz Photography
Zwischen 1990 und 2021 seien jedes Jahr mehr als eine Million Todesfälle direkt auf Antibiotikaresistenzen zurückzuführen gewesn, heißt es in einer Mitteilung des Fachjournals »The Lancet«, in dem die Studie des Global Research on Antimicrobial Resistance (GRAM)-Projekts publiziert wurde.
In den kommenden Jahrzehnten werde diese Zahl stetig ansteigen und 2050 mit 1,91 Millionen Todesfällen um 67,5 Prozent höher liegen als 2021, so die Prognose basierend auf aktuellen Trends. Insgesamt könnten antimikrobielle Resistenzen damit zwischen 2025 und 2050 direkt zu mehr als 39 Millionen Todesfällen führen und mit weiteren 169 Millionen Todesfällen assoziiert sein.
Die Analyse basiert auf 520 Millionen Einzeldaten aus einer Vielzahl von Quellen, darunter Krankenhausdaten, Sterberegister und Daten zum Antibiotikaeinsatz. Mit statistischen Modellen wurden Schätzungen zu Todesfällen erstellt, die direkt auf Antibiotikaresistenzen zurückzuführen sind, sowie zu solchen, bei denen Antibiotikaresistenzen eine Rolle spielten. Es wurden 22 Krankheitserreger, 84 Erreger-Wirkstoff-Kombinationen und elf infektiöse Syndrome bei Menschen aller Altersgruppen aus 204 Ländern und Territorien berücksichtigt.
Im Laufe der drei Jahrzehnte haben sich die Trends bei den Todesfällen durch Antibiotikaresistenzen laut dem Journal altersabhängig stark verändert: Die Zahl der Todesfälle durch Antibiotikaresistenzen bei Kindern unter fünf Jahren sei zwischen 1990 und 2021 um mehr als 50 Prozent zurück gegangen. Dieser Abfall sei mit erheblichen Verbesserungen bei der Infektionsprävention und -kontrolle bei Säuglingen und Kleinkindern einhergegangen, etwa durch Impfprogramme.
»Der Rückgang der Todesfälle durch Sepsis und Antibiotikaresistenzen bei jungen Kindern in den letzten drei Jahrzehnten ist eine unglaubliche Errungenschaft. Dennoch, diese Ergebnisse zeigen, dass Infektionen bei Kleinkindern zwar seltener geworden sind, dass sie aber schwieriger zu behandeln sind, wenn sie auftreten«, ordnet Dr. Kevin Ikuta, Assistenzprofessor an der University of California Los Angeles (UCLA) und einer der Hauptautoren der Studie, ein.
Im selben Zeitraum seien die Todesfälle bei älteren Menschen ab 70 Jahren hingegen um mehr als 80 Prozent gestiegen – aufgrund der rasch alternden Bevölkerung und der größeren Anfälligkeit älterer Menschen für Infektionen.
Die Zahl der direkt verursachten Todesfälle sei insgesamt besonders in fünf Regionen gestiegen: westliches Afrika südlich der Sahara, tropisches Lateinamerika, Nordamerika mit hohem Einkommen, Südostasien und Südasien. Bis 2050 werde die Zahl der Todesfälle bei den Kindern weiter zurückgehen, so die weitere Prognose, bei den älteren Menschen dafür aber umso mehr zunehmen.
Dabei werde es global erhebliche Unterschiede geben: In den Ländern mit hohem Einkommen werde die Zahl der Todesfälle bei den Menschen über 70 um 72 Prozent zunehmen, in Nordafrika und im Nahen Osten hingegen um 234 Prozent, heißt es.
Insgesamt werde die Zahl der Todesfälle durch antimikrobielle Resistenzen in Zukunft in südasiatischen Ländern wie Indien, Pakistan und Bangladesch am höchsten sein – hier werden zwischen 2025 und 2050 insgesamt 11,8 Millionen Todesfälle erwartet, die direkt darauf zurückzuführen sind.
Weltweit am stärksten zugenommen hätten Todesfälle durch Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA), die im Jahr 2021 direkt zu 130.000 Todesfällen führten. Im Vergleich zum Jahr 1990 (57.200 Todesfälle) entspricht das mehr als einer Verdopplung.
Unter den gramnegativen Bakterien – unter denen einige besonders resistente Keime zu finden seien – habe die Resistenz gegenüber Carbapenemen stärker zugenommen als gegen jede andere Art von Antibiotika.
»Antimikrobielle Arzneimittel sind einer der Grundpfeiler der modernen Gesundheitsversorgung, und die zunehmende Resistenz gegen sie gibt Anlass zu großer Sorge«, kommentiert ein weiterer Hauptautor der Studie, Professor Dr. Mohsen Naghavi vom Institute of Health Metrics der Universität Washington. »Diese Ergebnisse machen deutlich, dass die Antibiotikaresistenzen seit Jahrzehnten eine erhebliche globale Gesundheitsbedrohung darstellen und dass diese Bedrohung weiter zunimmt.«
Die Ergebnisse unterstrichen die dringende Notwendigkeit von Maßnahmen wie Infektionsprävention, Impfungen, Minimierung des unangemessenen Antibiotikaeinsatzes und Erforschung neuer Antibiotika, um die für 2050 prognostizierte Zahl der Todesfälle durch Antibiotikaresistenzen zu verringern, heißt es seitens des Journals.