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Patientenfall
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Medikationsanalyse nach neuer Parkinson-Leitlinie

Es war gewissermaßen ein Notruf aus dem Heim an die Apotheke: Das Pflegepersonal »bekommt die morgendlichen Medikamente nicht mehr in den Patienten hinein«. Der 81-jährige multimorbide Parkinson-Patient leide aktuell unter schweren Schluckbeschwerden. Im neuesten Fall der pDL-Akademie waren gleich 16 Medikamente zu analysieren.
AutorKontaktDaniela Hüttemann
Datum 15.01.2024  18:00 Uhr

Als zweites Schmerzmedikation umstellen

Zweiter Vorschlag: Die Schmerzmedikation optimieren. »Falls der Rigor durch die erste Maßnahme reduziert wird, könnte der Bedarf an Schmerzmitteln sinken«, meinte Ravati. Ibuprofen gehöre ganz raus aus der Medikation des Patienten, aufgrund seiner kardiovaskulären Erkrankungen, der Niereninsuffizienz und des Alters, meinte Internist Mohr. Das Metamizol sei in Ordnung und die Dosis in der Dauermedikation laut Ravati noch nicht ausgereizt. Das Pregabalin sei unterdosiert.

Ravati machte hier auf eine Neuerung in der Parkinson-Leitlinie aufmerksam: Bei neuropathischen Schmerzen bei Parkinson-Patienten ist nun Gabapentin dem Pregabalin vorzuziehen. Ebenfalls neu in der Leitlinie: bei nozizeptiven Schmerzen wird Oxycodon empfohlen. Falls es sich also nicht nur um neuropathische Schmerzen handle, sei Oxycodon/Naloxon (wegen der Obstipation) eine Alternative. Zudem waren sich alle einig, dass die Baclofen-Verordnung ungeeignet sei, auch angesichts des Alters des Patienten, und überprüft werden sollte.

Als drittes Dosierungen an Nierenfunktion anpassen

Dritter Vorschlag: Alle Dosierungen an die Nierenfunktion des Patienten anpassen, vor allem das Apixaban und gegebenenfalls die Antihypertensiva zu reduzieren, da der Blutdruck des Patienten zwar im Normalbereich liege, jedoch im unteren, auch angesichts der Sturzgefahr.

Auffällig war außerdem noch das niedrig dosierte Vitamin D einmal wöchentlich. Hier sollte überprüft werden, ob es sich um ein Missverständnis oder einen Übertragungsfehler handelt. Zudem sei das Dimenhydrinat gegen Übelkeit aufgrund seiner anticholinergen Wirkung zu hinterfragen.

Internist Mohr ging zum Schluss noch einmal auf das grundlegende Problem ein, dass viele Fachärzte wie hier der Neurologe viel zu selten ihre Heimpatienten besuchen und dann auch nur sehr wenig Zeit für jeden einzelnen haben, während der Hausarzt die fachärztliche Medikation nicht verändern will oder soll. »Bei solchen Patienten mit Schluckbeschwerden wie in diesem Fall kommt es ganz schnell, dass wir bei einer PEG-Sonde landen oder der Patient eine Aspirations-Pneumonie entwickelt.« Dabei ließe sich das durch eine bessere Grundbehandlung und passende Arzneiformen verhindern.

Leider hat Lemmer bislang noch keine Rückmeldung des behandelnden Neurologen erhalten, trotz mehrfacher Nachfrage. Sie hofft, etwas für den Patienten bewirken zu können, denn genau das sei der Grund, warum Medikationsanalysen so sinnvoll seien und noch dazu Spaß machten. Sie selbst habe auch wieder viel gelernt.

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