Medikament verhindert Attacken bei hepatischer Porphyrie |
Kerstin A. Gräfe |
06.05.2020 08:00 Uhr |
Die Zulassung basiert auf den Daten der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie ENVISION mit 94-AHP-Patienten. Der primäre Endpunkt war die Verringerung der zusammengefassten annualisierten Rate an Porphyrie-Attacken im Vergleich zu Placebo. Definiert wurden diese als Attacken, die einen Krankenhausaufenthalt, einen dringenden Arztbesuch oder eine intravenöse Hämin-Gabe zu Hause erforderten.
Die Patienten wurden im Verhältnis 1:1 entweder in die Givosiran- oder die Placebogruppe randomisiert. Givosiran wurde monatlich in einer Dosis von 2,5 mg/kg subkutan verabreicht. Unter Givlaari reduzierte sich das Risiko für den primären Endpunkt signifikant auf 3,2 Prozent gegenüber 12,5 Prozent unter Placebo. 50 Prozent der Patienten blieben unter Givosiran während des Behandlungszeitraums von sechs Monaten anfallsfrei, in der Placebogruppe war dies bei 16,3 Prozent der Fall. Des Weiteren berichteten die Givosiran-Patienten von weniger Schmerzen und einem geringeren Hämin-Gebrauch.
Unerwünschte Wirkungen traten bei 89,6 Prozent in der Givosiran-Gruppe und bei 80,4 Prozent in der Placebogruppe auf. Häufigste Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Injektionsstelle, Übelkeit sowie Abgeschlagenheit. Zu weiteren unerwünschten Reaktionen in der Verumgruppe zählten erhöhte Transaminasen, Hautausschlag und eine reduzierte glomeruläre Filtrationsrate.
Von der RNA-Interferenz wird man in den kommenden Jahren sicher noch mehr hören. Givosiran ist nach Patisiran das zweite Medikament auf dem deutschen Markt, das darüber wirkt. Im Fall von Givosiran wird die mRNA der Aminolävulinsäure herunterreguliert. Die Zulassungsstudie zeigt, wie gut das funktioniert. Die Rate an Porphyrie-Attacken ging sehr deutlich zurück, was für die Betroffenen einen großen Gewinn an Lebensqualität bedeutet, denn die Attacken sind sehr beeinträchtigend, sorgen für starke Schmerzen und machen unter Umständen einen stationären Aufenthalt beziehungsweise eine Notfallbehandlung notwendig.
Givosiran muss auch deshalb zu den Sprunginnovationen gezählt werden, weil es überhaupt bislang das erste Medikament ist, das die Porphyrie-
Attacken wirksam verhindern kann. Die Anwendung von Hämin-Arginat ist lediglich für die Behandlung der Krisen vorgesehen, nicht jedoch zum präventiven Einsatz. Ein Problem der akuten hepatische Porphyrien bleibt auch nach Einführung von Givosiran bestehen: Die Erkrankung macht unspezifische Symptome, sodass bis zur Diagnosestellung leider immer noch sehr oft viel Zeit vergeht.
Sven Siebenand, Chefredakteur