»Man hat uns den Entwurf vor die Füße geworfen« |
Cornelia Dölger |
14.09.2022 14:28 Uhr |
Aber auch hier: Zuversicht sei angebracht. Im Versorgungsalltag bestehe nämlich durchaus ein heilberufliches Miteinander, das letztlich in dem Credo münde: »Gemeinsamkeit macht stark, erfolgreich und dient – das ist der Auftrag des freien Heilberufs – dem Gemeinwohl«. Angesichts der Tatsache, dass der weitere Ausbau der pharmazeutischen Dienstleistungen im Ampel-Koalitionsvertrag festgeschrieben sei, freue sie sich hierbei auf eine öffentliche Rückendeckung, so Overwiening.
Bei dem Austausch mit Minister Lauterbach kam auch das Thema Paxlovid-Abgabe in Arztpraxen auf – auch Overwiening griff das rote Tuch Dispensierrecht in ihrem Lagebericht auf. Von der entsprechenden Verordnung seien die Apotheker »überrollt« und »in Alarmbereitschaft versetzt« worden. Es gebe keinen sachlichen Grund, das Covid-19-Therapeutikum aus Arztpraxen heraus abzugeben, der bisherige und nach wie vor bestehende Vertriebsweg über die Apotheken garantierte eine schnelle, sichere und zuverlässige Versorgung aller Patientinnen und Patienten mit antiviralen Arzneimitteln.
Dennoch werde das Mittel verhalten eingesetzt – wofür es ausschließlich medizinische Gründe gebe. Diese bestünden natürlich weiter, auch wenn Ärzte das Mittel selbst abgeben dürften. »Die aus gutem Grund bestehende und bewährte Trennung zwischen ärztlicher und pharmazeutischer Tätigkeit darf nicht aufgehoben werden. Das ist gefährlich.« Um so dankbarer sei sie, dass Lauterbach bei dem Gespräch versichert habe, mit Paxlovid sei nicht der Startschuss für ein generelles Dispensierrecht für Ärzte gefallen, bemerkte Overwiening und setzte nach: »Wir freuen uns sehr, dass der Minister hier so klare und deutliche Worte gefunden hat.«
Seit Anfang September läuft die schrittweise Einführung des E-Rezepts – Anlass für Overwiening, in ihrer Rede an einen Ortstermin der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt in einer Apotheke in Düren in Nordrhein-Westfalen vor 20 Jahren zu erinnern. Damals hatte die SPD-Politikerin anlässlich eines Feldversuchs zum E-Rezept bilanziert: »Das E-Rezept, es funktioniert.«
20 Jahre später und noch immer »Digitalisierungs-Schlusslicht in Europa«, hat Deutschland den Start nun geschafft. Für Overwiening ist das ein Grund für weitere Zuversicht. Dass etwa in der Modellregion Westfalen-Lippe ein sehr großer Teil der Apotheken zum Starttermin E-Rezept-ready gemeldet war, zeige ihr: »Wir sind bereit, bereit fürs E-Rezept.« Anders als viele andere Akteurinnen und Akteure seien Apotheker aktiv und konstruktiv dabei, wenn es um die Digitalisierung im Gesundheitswesen gehe. »Wir Apothekerinnen und Apotheker unterstützen das E-Rezept, auch wenn es mit zahlreichen Anstrengungen und Mühen verbunden ist, und obwohl auch Gefahren davon ausgehen, wenn die Politik nicht achtsam und nachhaltig die Rahmen setzt.« Es gelte, die Chancen des E-Rezepts zu heben, wofür unter anderem nötig sei, dass die digitalen Verordnungen fehlerfrei, ohne Unklarheiten und ohne Retax-Risiken in die Apotheken gelangten.
Damit habe das E-Rezept das Potenzial, ein »echtes Gewinnerthema für die Gesundheitsversorgung« zu werden. Zudem müsse die Hoheit über das E-Rezept bei der Patientin und dem Patienten verbleiben. Dabei gehe es auch um Datenschutz – ein Grund, warum die Landesdatenschützer der Idee der KV Schleswig-Holstein, die E-Rezept-Übermittlung per SMS oder E-Mail zu ermöglichen, zu Recht ein Ende gesetzt hätten. »Diese Spontanlösungen sind aus der Warte des Verbraucherinnen- und Verbraucherschutzes sowie des Datenschutzes der größtmögliche Unfug.«