Lonafarnib als erstes Mittel zugelassen |
Sven Siebenand |
22.07.2022 13:30 Uhr |
Der brasilianische Fußballspieler Neymar kümmerte sich vor einem Spiel um einen an Progerie erkrankten Fan. Zur Behandlung des Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndroms wurde in der EU mit Lonafarnib erstmal ein Wirkstoff zugelassen. / Foto: Imago Images/Fotoarena
Patienten mit Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom (HGPS) haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von etwa 15 Jahren. Die frühzeitige Vergreisung hängt bei den Betroffenen mit einem Defekt des Zellkern-Strukturproteins Lamin A zusammen. Dieses ist nicht nur für die Strukturstabilität wichtig, sondern übernimmt vermutlich auch Aufgaben beim Ablesen der Erbinformation. Bei Gesunden wird Lamin A aus der Vorstufe Prälamin A gebildet. Um an die Kernmembran dirigiert zu werden, wird an Prälamin A ein Farnesyl-Rest angehängt, der später, an Ort und Stelle angekommen, wieder entfernt wird.
Mutationsbedingt kommt es bei HGPS zu zwei wichtigen Abweichungen: Einerseits enthält das Prälamin-A-Gen eine neue Spleißstelle, weshalb ein deutlich verkürztes Prälamin A produziert wird. Dieses Protein wird wie die normale Variante mit einem Farnesyl-Rest ausgestattet und an die Kernmembran dirigiert. Dort angekommen kann aber die Entfernung des Farnesyl-Rests nicht mehr stattfinden, weil durch eine weitere Mutation ein wichtiges Enzym nicht mehr richtig arbeitet. In der Quintessenz heißt das, dass sich bei den Betroffenen farnesyliertes verkürztes Lamin A, das als Progerin bezeichnet wird, anhäuft, welches dann zu Zellschäden, Problemen mit der Zellteilung und vorzeitigem Altern führt.
Zugelassen ist Lonafarnib (Zokinvy®, Eigerbio Europe) zur Behandlung von Patienten ab einem Alter von zwölf Monaten mit genetisch bestätigter Diagnose von HGPS oder progeroider Laminopathie. Lonafarnib ist ein Inhibitor des Enzyms Farnesyltransferase. Der Wirkstoff sorgt dafür, dass das verkürzte Prälamin A gar nicht erst farnesyliert wird und sich damit weniger Progerin in der inneren Zellkernmembran ansammelt. Dies soll zur Aufrechterhaltung der Zellintegrität und der normalen Funktion beitragen.
Heilen kann Lonafarnib HGPS nicht, allenfalls das Voranschreiten der Erkrankung bremsen. Das zeigen auch die Studiendaten, von denen es wegen der Seltenheit der Erkrankung nicht allzu viele gibt. In der Fachinformation von Zokinvy heißt es dazu: Beim letzten Nachbeobachtungszeitpunkt hatte sich die mittlere Lebensdauer von HGPS-Patienten, die mit Lonafarnib behandelt wurden, um durchschnittlich 4,3 Jahre erhöht. Angesichts der begrenzten Informationen in den Datensätzen könnte dieser Wert jedoch auch nur bis zu 2,6 Jahre betragen.
Lonafarnib wird oral eingenommen. Gastrointestinale Nebenwirkungen zählen zu den sehr häufigen Nebenwirkungen.
Lonafarnib wird darüber hinaus auch bei Hepatitis D erprobt. Auch hier spielt die Hemmung der Farnesyltransferase und eine Wirkung auf die Virusreplikation die entscheidende Rolle im Wirkprinzip.