Lernen von der Apfelschnecke |
Theo Dingermann |
11.08.2025 17:00 Uhr |
Was in dieser Zeit molekular abläuft, ist gewaltig. So sind während des Regenerationsprozesses unmittelbar nach der Amputation etwa 9000 Gene aktiv, die im Vergleich zu normalen adulten Schneckenaugen unterschiedlich stark exprimiert werden. Nach 28 Tagen sind noch 1175 Gene im regenerierten Auge unterschiedlich exprimiert, was darauf hindeutet, dass die Augen zwar nach einem Monat vollständig entwickelt aussehen, die vollständige Reifung jedoch länger dauern könnte.
Um die Funktionen dieser Gene zu verstehen, schalteten die Forschenden einzelne Gene gezielt mithilfe der molekularen Genschere CRISPR/Cas aus. Wurden etwa beide Kopien des Homöobox-Gens pax6 inaktiviert, bildeten sich weder Augenstiel noch Retina aus. Pax6 ist ein gewebespezifischer Transkriptionsfaktor, der beim Menschen beispielsweise eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Auge, Nase und ZNS spielt.
Heterozygote und Wildtyp‐Tiere entwickelten sich allerdings normal, was zeigt, dass bereits eine Kopie des pax6-Gens die entscheidenden Funktionen bei der Initiation des Augenentwicklungsprogramms aufrechterhalten kann.
Damit ist ein Anfang gemacht. Die Arbeit des Teams um Accorsi zeigt, dass sich mit P. canaliculata neue Möglichkeiten auftun, die genetischen Grundlagen komplexer Organregeneration zu erforschen. Ob sich dieses Wissen dann klinisch nutzen lässt, müssen viele weitere Studien zeigen. Der medizinische Bedarf ist jedenfalls groß.