Leptin weiterhin Hoffnungsträger bei Magersucht |
Der Theorie und ersten Versuchen nach könnte die Gabe von Leptin Magersüchtigen helfen. Doch vernünftige klinische Studien, um die Wirksamkeit und Sicherheit zu überprüfen, sind wohl auch aus Finanzierungsmangel noch nicht geplant. / Foto: Adobe Stock/motortion
Magersucht wird bislang primär psychotherapeutisch behandelt. Eigens zugelassene Medikamente zur Therapie der Anorexia nervosa existieren nicht – wenn auch vor mehr als zehn Jahren bereits das Hormon Leptin als bedeutsam in der Pathogenese identifiziert wurde.
Das 1994 entdeckte Proteohormon reguliert die Anpassung des Körpers an Hungerzustände. Fällt der Leptin-Spiegel im Blut ab, werden zahlreiche körperliche Funktionen auf Sparflamme gesetzt. Zugleich kommt es zu dem häufigen Phänomen der motorischen Hyperaktivität, die viele Betroffene im Verlauf der Essstörung als zunehmend zwanghaft beschreiben. Die Patienten leiden nicht nur unter starkem Untergewicht, sondern auch unter zum Teil schweren Depressionen mit erhöhtem Suizid- und Mortalitätsrisiko.
»Schon vor 20 Jahren konnten wir im Tierversuch zeigen, dass eine durch Hunger ausgelöste Hyperaktivität durch Gabe von Leptin gestoppt werden kann. Zahlreiche weitere Untersuchungen haben unsere damaligen Ergebnisse zwischenzeitlich ergänzt beziehungsweise bestätigt«, so Professor Dr. Johannes Hebebrand, Ärztlicher Leiter der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am LVR-Klinikum in Essen, im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung.
Erst 2018 allerdings sei das Protein Metreleptin als rekombinantes Analogon des humanen Leptins zur Therapie der Lipodystrophie als Orphan Disease zugelassen worden. Dadurch wurde auch die Off-Label-Verschreibung des Medikaments bei Magersucht möglich. In Essen sind nun in Kooperation mit schweizerischen Kollegen versuchsweise drei magersüchtige Patientinnen erfolgreich mit Leptin therapiert worden. Ihr Zustand habe sich deutlich verbessert.
»Der Effekt übertraf unsere kühnsten Erwartungen«, so der Mediziner. Bereits nach zwei bis drei Tagen sei bei allen Patientinnen eine Minderung der Depressionen registriert worden. Ihre Konzentrationsfähigkeit habe zugenommen, der Bewegungsdrang habe sich verringert. Auch essstörungsspezifische Denkweisen seien abgeschwächt worden. »Die Therapie hat mich motiviert, aus meiner Essstörung herauszufinden«, habe eine Patientin bemerkt, die zwischenzeitlich wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert sei.