Lasst die Apotheken entscheiden! |
Um die Versorgung mit Kinderarzneimitteln wirklich schnell zu verbessern, sollte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Apotheken mehr Entscheidungskompetenzen einräumen, meint PZ-Chefredakteur Benjamin Rohrer. / Foto: ABDA
In Sachen Arzneimittel-Lieferengpässe ist in dieser Woche viel passiert. Das Bundesgesundheitsministerium hat erste Eckpunkte für ein mögliches Generika-Gesetz vorgestellt. Demnach sollen die während der Pandemie eingeführten, gelockerten Abgaberegeln verstetigt werden. Außerdem soll es für Apotheken eine Lieferengpass-Pauschale in Höhe von 50 Cent geben – diese gilt allerdings nur bei versorgungskritischen Wirkstoffen und nach Rücksprache mit einem Arzt. Außerdem sollen die Rabattvertragsausschreibungen umgestellt werden, zudem werden Festbeträge teils erhöht, teils ganz gestrichen.
Als sofortige Maßnahme für die Verbesserung im pädiatrischen Bereich hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Kassen und Kassenärzte gebeten, die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Rezeptur-Verordnungen zu streichen. Der Gedanke dahinter: Durch den Wegfall des Regressdrucks ordnen die Mediziner häufiger an, dass Apotheken Rezepturen herstellen, die Apotheken haben dann auch häufiger Vergütungssicherheit und können sorgenfrei herstellen. Lauterbach versprach, dass sich alleine dadurch die Versorgung »schnell, wesentlich« verbessere.
Aber ist das wirklich so? Schaut man genauer hin, könnte die Neuregelung sogar zu noch mehr Chaos führen. Denn: Die Versorgung mit Kinderarzneimitteln, insbesondere bei Fiebersäften, ist in den Apotheken sehr volatil. Es könnte also so kommen, dass die Ärzte jetzt in der Tat vermehrt Rezepturen aufschreiben, wenn sie Kinder mit einem Fiebersaft versorgen möchten. Wenn die Apotheken aber zufällig gerade mal eine Lieferung des Großhandels mit entsprechenden Fertigarzneimitteln im Haus haben, dürften sie diese nicht abgeben, sondern müssten aufwändig herstellen. Alternativ bleibt nur der Anruf beim Arzt, um eine Rezept-Änderung zu bewirken, sodass das Fertigarzneimittel dispensiert werden kann. Kurzum: Die von Lauterbach angewiesenen Sofort-Maßnahmen sind fernab der Versorgungspraxis und werden in den Apotheken und Arztpraxen höchstens zu einem Effekt führen: mehr Chaos.
Viel sinnvoller wäre es doch, wenn die Apotheken auch hier endlich mehr Beinfreiheit bekommen und selbst entscheiden dürfen, wann sie herstellen und wann sie ein Fertigarzneimittel abgeben. Der Arzt behält natürlich die Therapiehoheit, indem er einen Wirkstoff verordnet. Die wirklichen Experten für die Arzneimitteltherapie – die Apothekenteams – dürfen dann je nach aktuellem Lagerbestand entscheiden, wie sie ihre Patienten versorgen. Für die Patienten würde genau das eine sofortige Besserung mit sich bringen: Die lästigen Wege zurück zum Arzt oder in eine andere Apotheke würden weniger werden, wenn nicht sogar ganz wegfallen.
Der Ruf des Bundesärztekammer-Präsidenten Klaus Reinhardt nach Arzneimittel-Flohmärkten hat erst kürzlich wieder verdeutlicht, wie ausgeprägt die Arzneimittel-Expertise der Mediziner wirklich ist. Umso wichtiger wäre es jetzt – in einer Krisensituation – den wahren Expertinnen und Experten mehr Entscheidungskompetenzen zu geben. Lasst die Apotheken entscheiden!