Langanhaltende Störung des Darmmikrobioms möglich |
| Theo Dingermann |
| 13.06.2023 07:00 Uhr |
Eine Coronainfektion, auch wenn sie mild verläuft, kann die bakterielle Besiedlung des Darms langanhaltend stören. / Foto: Adobe Stock/Alex
Nach wie vor werden die vielen unterschiedlichen Charakteristika aufgearbeitet, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 verursachen kann. Besonders stehen dabei die langanhaltenden Probleme im Fokus, die vielfach auch dann beobachtet werden, wenn der akute Krankheitsverlauf eher mild ausgeprägt war. Eine aktuelle Arbeit, die jetzt in dem Journal »mBIO« publiziert wurde, fokussiert auf die durch eine SARS-CoV-2-Infektion indirekt geschädigte Darmmikrobiota und deren potenziellen Auswirkungen gerade auch nach einem milden Krankheitsverlauf.
Forschende um Dr. Vaibhav Upadhyay von der University of California in San Francisco, USA, werteten in einer Längsschnittstudie zunächst die Krankheitsgeschichten von 14 ambulant behandelten SARS-CoV-2-positiven Personen sowie vier Kontrollpersonen aus. Insgesamt wurden 53 Stuhlproben der 18 Probanden (sechs Männer und zwölf Frauen im Alter von 19 bis 71 Jahren) über die Zeit der Studie analysiert.
Im Vergleich zu den Kontrollpersonen wiesen die an Covid-19 erkrankten Patienten deutliche Störungen der Darmmikrobiota auf, die während der bis zu 154 Tage andauernden Untersuchungsperiode entweder stabil blieben, zunahmen oder auch deutlich schwankten.
Um Störfaktoren bei Untersuchungen von Menschen zu vermeiden und genauere Einblicke in die Beteiligung einer gestörten Darmmikrobiota an einer Long-Covid-Symptomatik zu erhalten, entschlossen sich die Autoren, Veränderungen im Darmmikrobiom von Mäusen zu charakterisieren, die kontrolliert mit verschiedenen SARS-CoV-2-Varianten infiziert worden waren.
Die Forschenden konnten zeigen, dass SARS-CoV-2 auch die Darmmikrobiota der verwendeten K18-hACE2-Mäuse schädigte. Diese Effekte waren qualitativ unabhängig von der Variante, die die Infektion verursachte. Sowohl das Wildtyp-Virus als auch die Delta- und Omikron-BA.1-Varianten führten zu Unregelmäßigkeiten im Mikrobiom der Mäuse.
Allerdings zeigte sich, dass mit Fortschreiten der SARS-CoV-2-Evolution die phänotypischen Auswirkungen auf die Drammikrobiota milder wurden. Dennoch blieben die Effekte auch bei der Omikron-BA.1-Variante »dramatisch und signifikant«, so die Forschenden.
»Unsere Ergebnisse bei Menschen und Mäusen zeigen, dass die Darmmikrobiota nach leichten Fällen von SARS-CoV-2-Infektionen destabilisiert wird; die dafür verantwortlichen zellulären und molekularen Mechanismen müssen jedoch noch aufgeklärt werden«, resümieren die Autoren in der Arbeit. Vermutlich würden die Veränderungen durch Auswirkungen auf Immun- oder Epithelzellen des Wirts verursacht, da das Virus die Bakterien ja nicht direkt schädigen kann. Eine solche Schädigung könne auch eintreten, wenn die Lunge als primäres Infektionsorgan nur leicht betroffen sei, so die Forschenden.
Gesichert zu sein scheint eine von den Autoren beobachtete signifikante Verarmung von Akkermansia muciniphila, einem Darmbakterium, das für den Erhalt der Darmbarriere wesentlich zu sein scheint und das auch mit verschiedenen anderen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht wird. Beispielsweise werden bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa, bei Übergewicht oder Stoffwechselstörungen, darunter auch ein Typ-2-Diabetes, und bei Patienten mit metabolischen Syndrom geringere Mengen dieses Bakteriums gefunden als bei Gesunden. Vermutlich führt die geringere Anzahl des Keimes zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmbarriere, wodurch vermehrt Entzündungsfaktoren ins Blutplasma gelangen können.
Auch bei Kindern mit Asthma wurden weniger A. muciniphila gefunden als bei gesunden Kindern. In einer klinischen Studie konnte gezeigt werden, dass die Gabe von A. muciniphila zu einer Reduktion von entzündlichen Reaktionen sowie einer Verbesserung von Leberfunktionsstörungen führte.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.