Länger überleben mit Talazoparib |
Brigitte M. Gensthaler |
01.07.2020 08:00 Uhr |
Die rosa Schleife ist ein Symbol für den Kampf gegen Brustkrebs. Der neue Wirkstoff Talazoparib kann bei manchen Frauen mit metastasiertem Brustkrebs das progressionsfreie Überleben verlängern. / Foto: Adobe Stock/Africa Studio
Talazoparib (Talzenna® 0,25 und 1 mg Hartkapseln, Pfizer) ist wie Olaparib (Lynparza) zur Monotherapie für Patienten mit BRCA1/2-Mutationen in der Keimbahn zugelassen, die ein HER2-negatives, lokal fortgeschrittenes oder metastasiertes Mammakarzinom haben. Sie sollten zuvor möglichst eine Therapie mit einem Anthracyclin und/oder einem Taxan bekommen haben, Patienten mit Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs außerdem eine endokrine Therapie.
Die empfohlene Dosis beträgt einmal täglich 1 mg Talazoparib peroral. Die Patienten können die Kapseln unabhängig von den Mahlzeiten im Ganzen schlucken und sollten sie nicht öffnen oder auflösen. Die Therapie wird bis zur Progression des Tumors oder bis zum Auftreten inakzeptabler Nebenwirkungen fortgeführt. Bei unerwünschten Arzneimittelwirkungen kann die Therapie unterbrochen oder die Tagesdosis reduziert werden (Tabelle in der Fachinformation). Bei leichter Nieren- oder Leberinsuffizienz sowie bei Älteren ist keine Dosisanpassung erforderlich. Talazoparib wird hauptsächlich unverändert renal ausgeschieden.
Talazoparib ist ein Inhibitor der humanen Poly-ADP-Ribose-Polymerasen PARP-1 und -2. Diese Enzyme sorgen für die Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen. Da ein alternativer DNA-Reparaturweg in Krebszellen mit mutierten BRCA-Genen nicht mehr richtig funktioniert, werden DNA-Reparatur, -Replikation und -Transkription verhindert, wenn PARP-Enzyme blockiert sind. In der Folge sterben die Tumorzellen ab. Daher ist vor der Anwendung eines PARP-Inhibitors ein genomischer Test zur Bestimmung von Keimbahnmutationen im BRCA-Gen (germline BRCA-mutated: gBRCAm) in Patientenzellen erforderlich.
In der offenen, randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie EMBRACA, die 2018 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, bekamen 431 Frauen mit HER2-negativem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs und Keimbahnmutation im BRCA-Gen randomisiert im Verhältnis 2:1 entweder peroral 1 mg Talazoparib pro Tag (n = 287) oder eine Chemotherapie mit Capecitabin, Eribulin, Gemcitabin oder Vinorelbin (n = 144). Die Behandlung wurde bis zur Krankheitsprogression oder bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität fortgesetzt. Primärer Endpunkt war das mediane progressionsfreie Überleben. Dieses PFS war signifikant länger in der Talazoparib-Gruppe als unter Standardtherapie (8,6 versus 5,6 Monate). Auch die objektive Ansprechrate (ORR) war höher (62,6 versus 27,2 Prozent) und 5,5 Prozent der Frauen erreichten sogar eine Komplettremission unter Talazoparib. Die Dauer des Ansprechens lag median bei 5,4 und 3,1 Monaten.
Die häufigsten Nebenwirkungen, die Patienten in den klinischen Studien unter Talazoparib erlitten, waren Fatigue (57 Prozent), Anämie (49 Prozent), Übelkeit (44 Prozent), Neutropenie und Thrombozytopenie (jeweils etwa 30 Prozent) sowie Kopfschmerz (26 Prozent). Die häufigsten schweren Nebenwirkungen (Grad 3/ 4) waren hämatologischer Art: Anämie (35 Prozent), Neutropenie und Thrombozytopenie (jeweils etwa 17 Prozent). Bei rund 62 Prozent der Patienten musste die Dosis aufgrund von Nebenwirkungen angepasst oder eine Zeitlang ausgesetzt werden. 3,6 Prozent mussten die Einnahme gänzlich beenden. Die mediane Einnahmedauer betrug 5,4 Monate
Talazoparib ist ein Substrat der Arzneimitteltransporter P-Glykoprotein (P-gp) und Breast Cancer Resistance Protein (BCRP). Die gleichzeitige Anwendung von starken P-gp-Inhibitoren sollte vermieden werden. Falls dies nicht möglich ist, sollte die Dosis von Talazoparib reduziert werden. P-gp-Induktoren wie Carbamazepin, Phenytoin und Johanniskraut könnten die Talazoparib-Exposition verringern. Die Auswirkung von BCRP-Inhibitoren auf die Pharmakokinetik des PARP-Inhibitors wurde in vivo nicht untersucht. Da die gleichzeitige Anwendung mit starken BCRP-Inhibitoren wie Curcumin und Ciclosporin die Talazoparib-Exposition erhöhen könnte, sollte man diese vermeiden.
Frauen im gebärfähigen Alter sollten vor und während der Therapie nicht schwanger sein oder werden und müssen vor, während und bis sieben Monate nach der Therapie hochwirksame Verhütungsmethoden anwenden, zum Beispiel zwei nicht hormonelle und komplementäre Methoden. Ob Talazoparib in die Muttermilch übergeht, ist nicht bekannt. Während der Therapie bis mindestens einen Monat nach Therapieende sollte die Frau nicht stillen.
Ohne Zweifel konnte Talazoparib in der Zulassungsstudie EMBRACA seine Wirksamkeit beim HER2-negativen, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Brustkrebs mit Keimbahnmutation im BRCA-Gen unter Beweis stellen. Der Wirkstoff verlängerte das mediane progressionsfreie Überleben gegenüber Chemotherapie signifikant und erzielte eine mehr als doppelt so hohe Ansprechrate. Dennoch ist vorerst die Einstufung als Analogpräparat zu wählen. Denn es handelt sich mittlerweile um den vierten PARP-Inhibitor im Handel. Das heißt, der Wirkmechanismus ist nicht neu. Hinzu kommt, dass mit Talazoparib keine neue Indikation erschlossen wird. Bereits vergangenes Jahr hat der erste PARP-Hemmer, das ursprünglich gegen Ovarialkrebs zugelassene Olaparib, eine Zulassungserweiterung beim Mammakarzinom erhalten. Ein kleiner Vorteil von Talazoparib könnte sein, dass es nur einmal täglich einzunehmen ist. Das rechtfertigt aber keine höhere Einstufung. Sehr spannend wäre ein direkter Vergleich von Olaparib und Talazoparib.
Sven Siebenand, Chefredakteur