Länder kontrollierten EU-Versender bislang nicht |
Kontrolliert wird nicht, wie lange ein Paket schon in der Sonne liegt. Dabei müssen sich auch (ausländische) Versandapotheken an die geltenden Temperaturvorschriften hierzulande halten. / Foto: Adobe Stock/Mark Wiens
Damit temperaturempfindliche Arzneimittel sicher von A nach B kommen, müssen deutsche Großhändler die strengen Vorschriften der Good Distribution Practice (GDP) befolgen. Ob sie sich daran halten, überwachen die zuständigen Aufsichtsbehörden in den Bundesländern, denn sie sind für die Überwachung der Vorgaben im Arzneimittelgesetz (AMG) zuständig. Der Apothekenleiter wiederum muss den sicheren Transportweg eines Medikaments garantieren. Solche Temperaturkontrollen sind insbesondere an heißen Sommertagen relevant. Die Hitze kann nämlich die Wirksamkeit einiger Präparate beeinträchtigen, wenn sie nicht richtig gekühlt werden.
Eigentlich müssen sich seit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) auch Arzneimittelversender aus dem EU-Ausland und die von ihnen beauftragten Paketdienstleister an die GDP-Vorgaben halten, wenn sie Medikamente nach Deutschland verschicken. Die bereits existierenden Vorgaben zum Arzneimitteltransport, wie sie im AMG, in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sowie dem Apothekengesetz (ApoG) stehen, hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aber nach eigenen Angaben im VOASG noch einmal konkretisieren wollen. Ziel war es »Klarheit zur Qualität der versendeten Arzneimittel vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren teilweise zu beobachtenden extremen Wetterlagen zu schaffen.«
Ob man aber darauf vertrauen kann, ob die Online-Händler sich an die Vorschriften beim Arzneimitteltransport halten, ist unklar. Denn: eine Pflicht zur Kontrolle fehlt im Gesetzestext. Darüber beschwerte sich erst kürzlich der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro). Die PZ hatte darüber berichtet. Der Phagro forderte von den zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder, den Versand von Medikamenten aus dem Ausland genauso streng zu überwachen, wie es hierzulande beim pharmazeutischen Großhandel Praxis ist – gleiche Regeln für alle also.
Die PZ hat sich vor diesem Hintergrund in einigen Bundesländern umgehört, ob die Behörden dort seit dem VOASG schon einmal hinsichtlich der Temperaturanforderungen bei EU-Arzneimittelversendern aktiv geworden sind und wenn ja, in welcher Form. Die Antworten zeigen: Noch hat es offenbar keinen Anlass dafür gegeben. Zudem wollten sich auf Nachfrage der PZ weder Shop Apotheke noch Doc Morris dazu äußern, ob und wie bereits geltende Temperaturanforderungen bei ihren Arzneimittelsendungen kontrolliert wurden.
Aus dem Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie heißt es beispielsweise auf PZ-Anfrage. »In Thüringen existieren aktuell keine Versender, die Arzneimittel innerhalb der EU versenden, weshalb keine Grundlage für eine Überwachungspflicht gemäß Paragraf 64 Arzneimittelgesetz (AMG) in Verbindung mit Paragraf 67 Arzneimittelgesetz seitens des Thüringer Landesamtes für Verbraucherschutz (TLV) als für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständige Behörde in Thüringen besteht.«
Für die Überwachung durch deutsche Behörden existiere keine rechtliche Grundlage, sofern es keine Auffälligkeiten gebe und sich »die entsprechenden Behörden im Sitzland der Apotheke« einschalten müssten, antwortete auch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration in Baden-Württemberg der PZ. Im eigenen Land seien die entsprechenden Regierungspräsidien dafür zuständig, die Qualitätsstandards bei Apotheken mit Versandhandelserlaubnis im Auge zu behalten. »Für die Überwachung, dass die EU-Versender auch tatsächlich die Kühlketten beim Medikamentenversand nach Deutschland einhalten, sind die Behörden, in der der Versender seinen Sitz hat, zuständig«, hieß es weiter.
Hitze kann die Wirksamkeit von Medikamenten beeinträchtigen, wenn sie nicht richtig gekühlt und transportiert werden. / Foto: Adobe Stock/Jenny Sturm
Auch in Nordrhein-Westfalen sieht man diesbezüglich keine Notwendigkeit. »Eine örtliche Zuständigkeit nordrhein-westfälischer Behörden kann verwaltungsverfahrensrechtlich nur innerhalb von Nordrhein-Westfalen vorliegen. Insofern unterliegen Apotheken in anderen europäischen Mitgliedsstaaten, die Arzneimittel im Wege des Versandhandels an Endverbraucher in Deutschland abgeben nicht der Überwachung nordrhein-westfälischer Behörden«, teilte das dortige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales der PZ mit. Das Ministerium verweist ebenfalls auf die Verantwortung der Behörden in dem jeweiligen Mitgliedsstaat.
In Hamburg wird die zuständige Behörde für Justiz und Verbraucherschutz nach eigenen Angaben einzig in den Fällen tätig, in denen Hamburger Bürgerinnen und Bürger betroffen sind. »Da in Hamburg derzeit keine Lager von EU-Versandapotheken angezeigt sind, entfällt eine Überwachung«, so die Behörde zur PZ.
Und in Bayern überprüfen regelmäßig die Kreisverwaltungsbehörden, ob sich die Versandhandelsapotheken mit Sitz in Deutschland an die Vorschriften halten. Was die Kontrolle von Versendern aus dem EU-Ausland betrifft, hätten die deutschen Behörden keine Handhabe, heißt es auf die PZ-Anfrage.
Fest steht: Der Bundesregierung ist anscheinend nicht bekannt, ob die Versandhändler den neuen Pflichten im VOASG nachkommen und damit Versender wie Shop Apotheke, Doc Morris und Co. die gesetzlichen Vorgaben für Kühlketten tatsächlich erfüllen. Das BMG geht aber davon aus, »dass die Versandapotheken den geltenden Verpflichtungen zum ordnungsgemäßen Versand von Arzneimitteln nachkommen«. So lautet jedenfalls die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag aus dem vergangenen Jahr. Die PZ hatte darüber berichtet. Ein Versand mittels Paketdiensten sei weiterhin möglich, wenn die Anforderungen eingehalten werden, stellte das BMG in diesem Zusammenhang klar.
Die Rückmeldungen aus den angefragten Bundesländern verdeutlichen insbesondere ein Grundproblem: Obwohl die großen Versandkonzerne hierzulande Millionen von Menschen mit Arzneimitteln versorgen, haben die Aufsichtsbehörden keinen Zugriff auf sie, um die Versorgungsqualität sicherzustellen. Und: Für die Überwachung der Versandkonzerne aus dem EU-Ausland fühlt sich keiner zuständig.
Besorgniserregend ist auch, dass auch die niederländischen Behörden offenbar keine engmaschigen Kontrollen bei den Logistik-Konzernen durchführen. Denn für sogenannte »Grenzapotheken« gelten im niederländischen Recht Ausnahme-Regelungen bei der Überwachung. Wie die PZ bereits berichtete, finden in solchen Unternehmen nur sehr sporadische Kontrollen statt.