KVen drohen mit Test-Boykott – Apotheken droht Abrechnungsstopp |
Im Ergebnis könnten die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht verantworten, »sehenden Auges Auszahlungen auf Abrechnungen zu leisten, deren Richtigkeit sie nicht ansatzweise prüfen können«. Die KVen bilanzieren: »Vor diesem Hintergrund und aufgrund der neuen, kleinteiligen Anspruchsvoraussetzungen und des damit vorhersehbaren Anstiegs von nicht überprüfbaren Falschabrechnungen sehen sich die Kassenärztlichen Vereinigungen außer Stande, ab dem 30. Juni 2022 erbrachte Bürgertestungen nach § 4a TestV abzurechnen und die Vergütung auszuzahlen.« Die Arztpraxen sollten deshalb und zudem angesichts des bürokratischen Aufwands prüfen, ob sie Bürgertestungen weiterhin anbieten. Sie seien dazu nicht verpflichtet.
Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), forderte zudem eine komplette Einstellung der Corona-Bürgertests. »Diese unsinnigen Tests müssen abgeschafft werden. Sie sind viel zu teuer, der bürokratische Aufwand ist riesig und die epidemiologische Aussagekraft ist Null«, sagte Gassen der »Bild«-Zeitung vom heutigen Freitag. Es sei eine »völlig sinnfreie Veranstaltung, anlasslos gesunde Menschen mit fragwürdiger Qualität zu testen«, betonte der KBV-Chef. PCR-Tests bei Patienten mit Symptomen seien aber wichtig, um Corona-Infektionen eindeutig nachzuweisen. Auf Twitter reagierte Bundesgesundheitsminister Lauterbach auf die Attacke: »Mit der KBV und Herrn Gassen sind wir schon in konstruktiven Gesprächen zur Abrechnung der Bürgertests. Die Tests werden bleiben und ab heute korrekt abgerechnet. Die sind nicht sinnfrei sondern helfen, dass Infizierte andere nicht anstecken«, schreibt der Minister.
Sollten die KVen tatsächlich die Abrechnung stoppen, droht ein größeres Abrechnungschaos. Denn seit dem Frühjahr 2021 sind die KVen mit der Abrechnung aller Tests von allen Teststellen beauftragt. Auch die Apotheken rechnen ihre Tests quartalsweise oder monatlich spätestens bis zum Ende des dritten auf den Abrechnungszeitraum folgenden Monat ab. Die KBV hatte für das Abrechnungsverfahren Vorgaben für die KVen entwickelt und festgelegt. Die KVen wiederum rechnen ihre Leistungen mit dem Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) ab, für Nicht-Mitglieder erhalten die Ärzte-Standesvertretungen einen Verwaltungskostensatz von 3,5 Prozent des Gesamtbetrags.
Dass sich die Neuregelungen auch in der Apothekerschaft negativ auswirken, bestätigte Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes. Die Test-Regelungen bedeuteten mehr Dokumentation zu einer geringeren Vergütung. »Es gibt mehr Aufwand und weniger Geld und zudem haben viele Apotheken einfach kein Personal, um das zu stemmen«, sagte Seyfarth der PZ. Gerade für ländlich gelegene Apotheken rechneten sich die Bürgertestungen nicht, so der HAV-Chef. Eine Mehrheit der Apotheken habe bereits vor der Verordnung die Bürgertests eingestellt, weil die Nachfrage in den vergangenen Monaten stark gesunken sei. Laut Seyfarth sind im Verband rund 1400 Apotheken landesweit vertreten.