Krebsschmerzen individuell behandeln |
Laura Rudolph |
13.06.2023 09:00 Uhr |
Die neuen WHO-Empfehlungen zur Therapie von Krebsschmerzen lösen sich vom dreistufigen WHO-Schema zur Schmerzbehandlung aus dem Jahr 1986 los, wie Professor Dr. Claudia Sommer beim Pharmacon erklärte. / Foto: Alois Mueller
Bei der Schmerztherapie in der Onkologie gilt es nicht nur, den Tumorschmerz zu behandeln, sondern auch andere krebsbezogene Schmerzen wie neuropathische oder peri- und postoperative Schmerzen. Dabei sollten neben Analgetika auch psychologische Effekte genutzt werden, betonte Sommer: »Patienten mit einer Krebsdiagnose haben häufig Angst vor Schmerzen. Aufklärung trägt zur Beruhigung bei. Bereits das Wissen über Schmerzen und deren Beeinflussbarkeit erhöht die Schmerztoleranz.« Dabei solle die Information über Therapiemöglichkeiten und deren Nebenwirkungen möglichst ausgewogen erfolgen, ohne unrealistische Erwartungen zu erzeugen.
Bezüglich der Behandlung postoperativer Schmerzen ging Sommer insbesondere auf die sogenannte patientenkontrollierte Analgesie (patient-controlled analgesia, PCA) ein, bei der sich Patienten mittels einer Schmerzpumpe eine definierte Dosis eines Opioids selbstständig verabreichen können. »Am Anfang gab es viele Bedenken zur PCA-Pumpe, doch Patienten schaffen eine ganze Menge, wenn man es ihnen richtig erklärt«, sagte Sommer. Insbesondere in Zeiten des Personalmangels biete die PCA den Vorteil, dass Patienten ihre Schmerzen ein Stück weit selbst regulieren können, ohne immer auf Klinikpersonal warten zu müssen.
2018 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine neue Leitlinie für die pharmakologische Behandlung von Krebsschmerzen bei Erwachsenen und Jugendlichen. Diese unterscheidet sich vom dreistufigen WHO-Schema zur Schmerzbehandlung aus dem Jahr 1986 insbesondere durch eine differenziertere Betrachtung von Schmerzcharakteristika und deren Behandlung. Seien die Krebsschmerzen von Beginn an sehr stark, könne die Analgesie etwa direkt mit starken Opioiden wie Morphin oder transdermalem Fentanyl begonnen werden, erklärte Sommer.
Eine sichere und effiziente Schmerztherapie werde immer wichtiger, da durch die verbesserte Krebstherapie mehr Krebspatienten überlebten, wodurch sich die absolute Zahl der Schmerzbetroffenen erhöht. Knapp die Hälfte der Krebspatienten habe Tumorschmerzen, darunter besonders häufig Patienten mit Knochen-, Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs sowie mit Lungenkrebs und fortgeschrittenen Stadien von Brustkrebs. »Der Schmerz hängt weniger von der Krebsart als von der Ausbreitung und individuellen Faktoren wie Schmerzempfindlichkeit, Alter und Begleiterkrankungen des Patienten ab«, erklärte die Neurologin.
Krebs kann auch mit neuropathischen Schmerzen einhergehen, die etwa durch Nervenverletzungen bei Krebsoperationen oder Infiltration von Nerven durch Tumoren entstehen können. Medikamente gegen neuropathische Schmerzen wie Gabapentin und Pregabalin sollten jedoch nicht routinemäßig, sondern nur im Bedarfsfall eingesetzt werden.