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Tierstudie

Krebsrisiko durch Gentherapie?

Eine unspezifische Integration von therapeutischen Genen in das Erbgut des Patienten ist mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden und galt lange Zeit als Hindernis für die Gentherapie. Dieses glaubte man mit der Verwendung von Adeno-assoziierte Viren als Vektoren (AAV) überwunden zu haben. Nun zeigen aber neue Daten, dass auch mit AAV eine Integration stattfinden kann.
Annette Mende
08.01.2020  14:54 Uhr

AAV werden in der Gentherapie als Vektoren verwendet, weil die von ihnen transportierte DNA nur sehr selten in das Genom der Zielzelle integriert wird. Sie liegt stattdessen zumeist als kleiner DNA-Ring (Episom) frei im Zellkern vor. Eine Integration ins Erbgut muss vermieden werden, denn wo sie stattfindet, lässt sich momentan nicht vorhersagen. Bei einer ungerichteten Integration können intakte Gene, beispielsweise Tumorsuppressorgene, zerstört werden. Diese Befürchtung ist nicht unbegründet – erste gentherapeutische Ansätze mit anderen Vektoren mussten abgebrochen werden, weil die behandelten Kinder an Leukämie erkrankten.

Weil AAV zur Integration ihrer DNA auf ein Helfervirus angewiesen sind, ist diese Gefahr bei ihnen deutlich geringer. Mit Onasemnogen Abeparvovec (Zolgensma™) ist ein Gentherapeutikum, das ein AAV als Vektor verwendet, in den USA bereits zugelassen und in Europa im Zulassungsverfahren. Zu Valoctocogen roxaparvovec, einem noch nicht zugelassenen AAV-haltigen Gentherapeutikum zur Behandlung von Patienten mit Hämophilie A, wurden gerade erst positive Drei-Jahres-Daten veröffentlicht.

Eine Studie, die im Dezember beim Jahrestreffen der US-amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie ASH vorgestellt wurde, heizt jetzt jedoch die nie ganz verstummte Diskussion um die Sicherheit der Gentherapie neu an. Dr. Denise Sabatino, die an der University of Pennsylvania in Philadelphia eine Arbeitsgruppe leitet, stellte die Ergebnisse der Untersuchungen von Hunden vor, die bis zu zehn Jahre zuvor mit einer AAV-basierten Gentherapie gegen Hämophilie A behandelt worden waren. Bei sieben von neun dieser Hunde führte die Behandlung zu einer stabilen Expression des Blutgerinnungsfaktors VIII, der den Tieren zuvor gefehlt hatte. Bei zwei Hunden stiegen die Faktor-VIII-Spiegel jedoch nach drei Jahren weiter an und erreichten sieben bis acht Jahre nach der Therapie das Vierfache des Ausgangswerts.

Integration an vielen Stellen

Zielzellen der Gentherapie bei Hämophilie A sind Leberzellen. Die Untersuchung der Lebern von sechs der behandelten Hunde zeigte in allen Fällen, dass das Faktor-VIII-Gen oder – häufiger – Fragmente von regulatorischen Sequenzen an vielen Stellen in das Genom der Wirtszellen integriert worden waren, teilweise in der Nähe von Genen, die das Zellwachstum regulieren. Einige dieser Zellen hatten sich häufiger geteilt als andere, sodass es innerhalb der Leber bei einigen Tieren zu Anhäufungen von Zellklonen gekommen war. Die Vermutung steht im Raum, dass durch die Insertionen Wachstumsgene aktiviert wurden, was sowohl das Vorkommen der Zellklone als auch den zeitverzögerten weiteren Anstieg der Faktor-VIII-Spiegel bei zwei der Versuchstiere erklären könnte.

Gegenüber der Nachrichtenseite des Fachjournals »Science«, die aktuell über die Studie berichtet, zeigte sich Gentherapie-Experte Dr. Andrew Davidoff vom St. Jude Children's Research Hospital allerdings nicht allzu besorgt ob dieses Ergebnisses. Das Integrationslevel sei relativ niedrig gewesen, die Lebern der Hunde anscheinend gesund und die Faktor-VIII-Spiegel relativ konstant: »Ich denke nicht, dass irgendetwas allzu Unerwartetes eingetroffen wäre«, so Davidoff. Im Gegenteil könnte die Integration ins Genom für eine dauerhafte Expression von therapeutischen Genen sogar wünschenswert sein, da episomale DNA im Laufe der Zeit verloren gehen könnte. Bei Zellteilungen erbt schließlich immer nur eine Tochterzelle das Episom.

Dr. Charles Venditti vom National Human Genome Research Institute sieht das Ganze weniger gelassen. »Was wäre gewesen, wenn diese Hunde noch fünf Jahre länger gelebt hätten?«, fagt er und äußert sich gegenüber »Science« besorgt, dass weitere Mutationen, die diese Klone zu Tumoren machen, nur eine Frage der Zeit sein könnten.

Ob diese Bedenken auch für gentherapeutisch behandelte Menschen gelten müssen, ist angesichts der noch jungen Therapierichtung und der noch fehlenden Langzeitdaten unklar. Die Regularien sehen aktuell eine Überwachung der Patienten auf Anzeichen von Leberkrebs über fünf Jahre nach der Therapie vor. Möglicherweise muss dieser Zeitraum verlängert werden.

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