Kompliment an Komplement-Hemmer |
Sven Siebenand |
30.09.2022 14:00 Uhr |
Die trockene AMD verläuft meist langsam und die Seheinschränkungen sind zunächst gering. Wenn im weiteren Verlauf aber das Zentrum der Makula betroffen ist, ist das Sehvermögen sehr stark eingeschränkt. / Foto: Adobe Stock/mmphoto
Bis die frühe AMD in die späte Phase übergeht, in der sich Sehstörungen im Alltag bemerkbar machen, vergehen durchschnittlich zehn Jahre. In dieser Phase unterscheiden Mediziner die feuchte und die trockene Form der AMD. Die trockene Form ist deutlich häufiger, rund 80 Prozent der AMD-Patienten leiden darunter.
Anlässlich einer Pressekonferenz der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft informierte Professor Dr. Frank Holz von der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Bonn, dass die feuchte Form auf das Aussprossen feiner undichter Blutgefäße in die Augennetzhaut zurückgeht und diese überschießende Gefäßneubildung mithilfe von VEGF-Inhibitoren heute erfolgreich verlangsamt wird. Bei der trockenen Form der AMD sterben lichtempfindliche Zellen aufgrund von Ablagerungen unter der Netzhaut ab. Bislang gibt es keine zugelassenen Wirkstoffe, was sich aber zukünftig wohl ändern wird.
Holz berichtete, dass eine übermäßige Aktivierung des Komplement-Systems eine wichtige Rolle bei der Entstehung der trockenen AMD spiele. Wenig überraschend basiert ein neues Therapiekonzept darauf, die Aktivität des Komplement-Systems zu drosseln. Den Einsatz von Komplement-Inhibitoren bezeichnete der Mediziner als biologisch plausibel. Zwei Arzneistoffe seien für die Indikation trockene AMD in der klinischen Prüfung schon weit fortgeschritten.
Nummer 1 ist der C3-Komplement-Inhibitor Pegcetacoplan, der in diesem Jahr bereits für das Anwendungsgebiet paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie in den Handel kam. Daten aus Studien der Phase II und III zeigen, dass Pegcetacoplan das Wachstum der atrophischen Areale bei trockener AMD verlangsamt. Eine Heilung ist nicht möglich, aber auch ein Bremsen des Fortschritts der Erkrankung könne laut Holz für die Lebensqualität der Patienten eine hohe Relevanz haben. Der zweite für die trockene AMD vorgesehene Komplement-Hemmer richtet sich gegen den Komplement-Faktor C5 und heißt Avacincaptad pegol. Auch er hat positive Studienresultate vorzuweisen.
Der Mediziner verwies darauf, dass die genannten Komplement-Hemmer lebenslang alle ein bis zwei Wochen intravitreal injiziert werden müssen. Da die regelmäßige Spritzenapplikation über viele Jahre sehr aufwendig ist, werde auch an gentherapeutischen Ansätzen gearbeitet. Dabei könnte eine einmalige Behandlung ausreichen, welche dann lebenslang wirken würde. Eine Gentherapie auf der Basis eines adenoassoziierten Virus, GT005, wird derzeit in Phase II getestet. GT005 führt das Gen für den Komplement-Faktor I ein, sodass dessen Spiegel erhöht werden. Der Faktor hat eine regulatorische Funktion und soll so die Aktivität des Komplement-Systems im Bereich der Makula drosseln.
AMD-Therapeutika kämen laut Holz natürlich auch für eine Prüfung der Anwendung in frühen Erkrankungsstadien infrage. Ziel wäre hier eine Prävention und damit Vermeidung der Entwicklung von Spätstadien der Erkrankung.