Pharmazeutische Zeitung online
Pharmazeuten und Mediziner

Kompetenzen des anderen kennen 

Um die Weichen für eine erfolgreiche Kooperation von Arzt und Apotheker bereits im Studium zu stellen, startet Anfang November ein Projekt zur »interprofessionellen Zusammenarbeit« in Berlin. Die Charité – Universitätsmedizin Berlin und die Freie Universität bringen dabei Medizin- und Pharmaziestudierende zusammen.
Carolin Lang
28.10.2020  18:00 Uhr

»Ziel des Projekts ist es, Studierende beider Professionen auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit im späteren Berufsleben vorzubereiten. Dahinter steht natürlich der Gedanke, die Patientensicherheit zu erhöhen«, erklärt Allgemeinmedizinerin Dr. Sabine Gehrke-Beck von der Charité im Gespräch mit der PZ. Mediziner und Pharmazeuten sollen die gegenseitige Profession näher kennenlernen, um einen Blick dafür zu bekommen: »Was kann der andere eigentlich und wie kann er mich in meiner Arbeit unterstützen?« Es geht also nicht darum, Inhalte aus dem jeweils anderen Fachbereich zu erlangen. Der Fokus liegt vielmehr darin, die Kompetenzen des anderen kennenzulernen und zu verstehen, dass sich diese bei Pharmazeuten und Medizinern unterscheiden, jedoch gut ergänzen.

»Die Chance des Projektes liegt darin, noch vor Beginn der tatsächlichen Praxis eine gute Erfahrung zwischen den Studierenden in der Zusammenarbeit zu ermöglichen«, hebt Dr. Ronja Behrend hervor, die für den Modellstudiengang Medizin an der Charité tätig ist und dort die interprofessionelle Ausbildung weiterentwickelt. Noch vor dem Start wurde das Projekt bereits von der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) mit einem Preis für innovative Lehrprojektideen ausgezeichnet. Es setzt sich aus drei Elementen zusammen: einem interprofessionellen Seminar, einer Tandemhospitation in der Hausarztpraxis sowie einem Praktikum im »Medikations-Management-Center« der FU Berlin. Zum jetzigen Zeitpunkt können jeweils 20 Mediziner aus dem zehnten und 20 Pharmazeuten aus dem sechsten bis achten Semester teilnehmen.

In dem Seminar sollen die Studierenden Patientenfälle aus sowohl medizinischer als auch pharmazeutischer Sicht in gemischten Kleingruppen bearbeiten. Das Prinzip der interprofessionellen Zusammenarbeit werde dementsprechend nicht theoretisch, sondern praktisch vermittelt. »Ziel des Seminars ist primär das gegenseitige Kennenlernen und das gemeinsame Lösen von medizinisch-pharmazeutischen Problemen«, erklärt Johanna Seeger, die aktuell in der Abteilung für Klinische Pharmazie und Biochemie an der FU Berlin unter Leitung von Professor Dr. Charlotte Kloft promoviert und an der Umsetzung des Projektes beteiligt ist. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie wird das Seminar nun vorerst als Online-Veranstaltung stattfinden.

Medizinstudierende an der Charité hospitieren im zehnten Semester unabhängig vom Projekt für zwei Wochen in einer Hausarztpraxis. Im Rahmen des Projektes können Pharmazeuten die Mediziner nun für einen Tag begleiten. Falls möglich, sollen sie in der Praxis gemeinsam einen »echten« Patienten betreuen, das heißt ein persönliches Gespräch mit ihm führen und seine Medikation überprüfen.

»Umgekehrt können auch Mediziner mal in die Rolle eines Apothekers schlüpfen«, erklärt Seeger. Die FU Berlin hat bereits seit 2016 ein »Medikations-Management-Center«, also eine nachgebaute Apotheke inklusive Apothekensoftware und ABDA-Datenbank. Dort finden für Pharmaziestudierende regulär Seminare und Praktika statt, um sie bereits während des Studiums besser auf evidenzbasierte Medikationsanalyse und Medikationsmanagement vorzubereiten. Dort sollen Pharmazie- und Medizinstudierende gemeinsam Fälle bearbeiten und in Rollenspielen Beratungssituationen nachstellen.

»Studierende sind uns voraus«

Um verfolgen zu können, welche Lernerfahrungen sich für die Beteiligten ergeben und wie sie langfristig von dem Projekt profitieren, sei die Evaluation ein wichtiger Bestandteil des Projektes, erklärt Seeger. »Wir wollen nachvollziehen, inwiefern sich die Sichtweise auf die andere Profession durch die Interventionen verändert«, ergänzt Josefine Schulz, die ebenfalls Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Professor Kloft ist. Unterstützt wird die Evaluation von Professor Dr. Martin Schulz, dem Geschäftsführer im Bereich Arzneimittel bei der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und Vorsitzenden der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker. Die Evaluation besteht bisher Pandemie-bedingt aus einem Online-Fragebogen. Für die Zukunft sind allerdings auch Gespräche sowohl mit Studierenden als auch den teilnehmenden Hausärzten vorgesehen.

Laut den Organisatoren übersteigt die Nachfrage an dem Projekt die bisherigen Kapazitäten. Es gebe deutlich mehr Bewerber als Plätze. »Im Allgemeinen ist das Interesse an interprofessioneller Zusammenarbeit sehr groß, auch unabhängig von diesem Projekt«, berichtet Behrend. So würden viele Studierende interprofessionelle Formate aktiv einfordern. Doktorandin Schulz ergänzt: »Die Studierenden sind uns dabei sogar einen Schritt voraus.« In Berlin stünden die Fachschaften der Pharmazeuten und der Mediziner bereits länger in regem Kontakt. Das gegenseitige Interesse füreinander mache sich sogar auf Bundesverbandsebene bemerkbar.

Das Projekt ist vorerst auf zwei Jahre ausgelegt. Langfristig wünschen sich die Organisatoren jedoch eine Implementierung in das Curriculum beider Studiengänge und eine verstärke Förderung von interprofessioneller Zusammenarbeit. »Es gibt noch Wachstumsspielraum in viele Richtungen. Das Projekt ist nur der erste Baustein«, sagt Gehrke-Beck.

»Über den Tellerrand schauen und Hierarchien aufbrechen«

PZ: Was können Mediziner und Pharmazeuten voneinander lernen?

Seeger: Die Studierenden sollen vielmehr etwas übereinander als voneinander lernen und die Bewegründe sowie den Entscheidungsspielraum des anderen kennenlernen. In dieser Hinsicht besteht aktuell ganz viel Nachholbedarf. Die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker gestaltet sich hier oft schwierig, was unter anderem daran liegt, dass sie den Arbeitsalltag und die Anforderungen des anderen nicht kennen.

J. Schulz: Das ist richtig. Tritt beispielsweise eine Arzneimittel-Interaktion auf, muss das nicht zwangsweise ein Fehler des Arztes sein – eventuell gab es einfach keine andere Option. Umgekehrt ist es sinnvoll für einen Arzt zu verstehen, weshalb der Apotheker beispielsweise Formalien auf einem Rezept bemängelt, die zum Beispiel für die exakte Darreichungsform essenziell sind.

PZ: Wo sehen Sie die Probleme in der aktuellen Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker?

Gehrke-Beck: Der Kontakt zwischen Arzt und Apotheker im Arbeitsalltag beläuft sich häufig nur auf Situationen, die schiefgelaufen sind. Dabei geht leider häufig unter, dass die Zusammenarbeit oft auch sehr gut klappt. In vielen Fällen arbeiten beide Seiten super zusammen, ohne es zu bemerken. Nebenbei gibt es systemische Probleme, die eine Zusammenarbeit erschweren. Unser Gesundheitswesen ist sehr fraktioniert und nicht darauf ausgelegt, dass Arzt und Apotheker dauerhaft zusammenarbeiten.

Behrend: Da stimme ich zu. Es müsste auch von offizieller Seite mehr Anreize dafür geben, zusammenzuarbeiten. Das Problem können wir aber von universitärer Seite nicht lösen. Wir können beiden Professionen nur zeigen, dass ein erfolgreiches Miteinander viele Vorteile mit sich bringt.

PZ: Welche Chancen sehen Sie in einer interprofessionellen Zusammenarbeit?

Behrend: Einige Studien belegen, dass eine interprofessionelle Zusammenarbeit sowohl die Patientenzufriedenheit als auch die Arbeitszufriedenheit in den Gesundheitsprofessionen erhöht. Befürworter gehen außerdem davon aus, dass die Patientensicherheit zunimmt, da eine gute Kommunikation das Fehlerpotenzial reduziert.

Seeger: Hier gibt es auch viel Potenzial für Verbesserungen im stationären Bereich. So können Arzt und Apotheker eine Therapie gemeinsam besser auf den Patienten abstimmen, anstatt lediglich standardisierten Therapieschemata zu folgen. Kurz gesagt: interprofessionelle Zusammenarbeit fördert die Arzneimitteltherapiesicherheit – sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa