Koloskopie in Studie weniger effektiv als erhofft |
Annette Rößler |
21.10.2022 14:00 Uhr |
Viele Menschen empfinden eine Koloskopie als unangenehm. Daher sind die Teilnahmeraten an dieser Früherkennungsuntersuchung gering. / Foto: Imago Images/Panthermedia
Bei einer Koloskopie wird der gesamte Dickdarm mit einem rektal eingeführten Endoskop auf Darmkrebs untersucht. Dabei kann der Untersucher nicht nur Tumoren entdecken, sondern auch Krebsvorstufen (Polypen) direkt entfernen. Daher lassen sich mit Koloskopien Darmkrebs-Neuerkrankungen und auch darmkrebsbedingte Todesfälle verhindern, bei Männern noch mehr als bei Frauen.
Wie groß das Potenzial der Screeningmethode dabei ist, hängt allerdings von verschiedenen Faktoren ab. Der wichtigste ist die Teilnahmerate, denn es ist sonnenklar, dass nur bei denjenigen Darmkrebs per Koloskopie gefunden oder verhindert werden kann, die sich der Untersuchung überhaupt unterziehen. Wichtig ist zudem, dass die koloskopierenden Ärzte gut darin sind, verdächtige Strukturen zu entdecken. Diese Fähigkeit lässt sich anhand der Adenom-Erkennungsrate (ADR) quantifizieren, die laut geltender Empfehlung nicht unter 25 Prozent liegen sollte.
Angesichts dieser Einschränkungen wollten Forscher aus mehreren europäischen Ländern herausfinden, wie gut die Koloskopie als Screeningmethode »im echten Leben« funktioniert. Sie gründeten die Nordic-European Initiative on Colorectal Cancer (NordICC), im Rahmen derer zufällig ausgewählte Personen zwischen 55 und 64 Jahren in Polen, Norwegen, Schweden und den Niederlanden zwischen 2009 und 2014 einmalig zu einer Koloskopie eingeladen wurden. Während einer Nachbeobachtungszeit von median zehn Jahren wurden dann Darmkrebs-Neuerkrankungen und -Todesfälle bei diesen Personen sowie bei doppelt so vielen Kontrollen, die nicht zur Darmspiegelung eingeladenen worden waren, erfasst.
Im »New England Journal of Medicine« referieren die Autoren um Dr. Michael Bretthauer von der Universität Oslo die Ergebnisse. Demnach konnten die Daten aus den Niederlanden aus datenschutzrechtlichen Gründen infolge der europäischen Datenschutz-Grundverordnung nicht berücksichtigt werden, sodass letztlich 84.585 Teilnehmer aus Polen, Norwegen und Schweden ausgewertet werden konnten. Von diesen waren 28.220 zur Koloskopie eingeladen worden und 11.843 (42 Prozent) waren der Einladung gefolgt. In der Nachbeobachtungszeit kam es in der Eingeladenen-Gruppe zu 259 Darmkrebsfällen und in der Vergleichsgruppe zu 622.
Das Zehn-Jahres-Risiko für Darmkrebs betrug in der Vergleichsgruppe 1,20 Prozent und in der Interventionsgruppe 0,98 Prozent, was einer Risikoreduktion um 18 Prozent entspricht. Das Risiko, innerhalb von zehn Jahren an Darmkrebs zu sterben, lag in der Eingeladenen-Gruppe bei 0,28 Prozent und in der Kontrollgruppe bei 0,31 Prozent. Somit mussten zur Verhinderung eines darmkrebsbedingten Todesfalls 455 Personen zum Screening eingeladen werden.
Damit ist ein Vorteil durch diese Früherkennungsuntersuchung erkennbar, der jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt. Das räumen die Autoren offen ein und nennen dafür mögliche Gründe. Einer davon ist die Teilnahmerate: Hätten alle Eingeladenen die Koloskopie in Anspruch genommen, wäre das Erkrankungsrisiko laut ihren Berechnungen von 1,22 auf 0,84 Prozent (um 31 Prozent) und das Sterberisiko von 0,30 auf 0,15 Prozent (um 50 Prozent) gesunken.
Das ist zwar schon mehr als die tatsächlich gesehenen Risikoreduktionen, aber immer noch weniger als erwartet. Denn wenn die Koloskopie das Darmkrebsrisiko tatsächlich nur um 31 Prozent senken würde, wäre sie kaum besser als die Sigmoidoskopie, eine Darmspiegelung lediglich des Mastdarms und des letzten Teils des Dickdarms, die laut Studien das Darmkrebsrisiko um bis zu 24 Prozent senkt. Eine Sigmoidoskopie wäre dann womöglich der deutlich invasiveren und für den Patienten stärker belastenden Koloskopie vorzuziehen.