Kleiner Erfolg gegen Doc Morris |
Jennifer Evans |
15.03.2019 13:36 Uhr |
Der Streit zwischen dem Versender Doc Morris und Apotheker Michael Nagler könnte in rund sechs Monaten in die nächste Runde gehen. / Foto: Imago/Jürgen Schwarz
Der Inhaber der Adler-Apotheke Tangerhütte, Michael Nagler, hatte bei der Versandapotheke Doc Morris wettbewerbswidrige Praktiken gewittert. Anhand von Testkäufen wollte er seine Vermutung belegen. Dazu hatte er zwei Testkäufer bei dem Versender, der zur Schweizer Zur-Rose-Gruppe gehört, bestellen lassen. Diese reichten private Rezepte für verschreibungspflichtige Arzneimittel ein. Daraufhin gewährte Doc Morris dem einen als Neukunde einen Rabatt von insgesamt 12,50 Euro. Obwohl das eigentliche Rezept lediglich einen Wert von 12,32 Euro hatte. Letztlich hatte der Kunde also sein Medikament geschenkt bekommen. Dieser Rabatt war auf dem zugehörigen Kaufbeleg für die private Krankenversicherung aber nicht aufgeführt. Nach Auffassung des Apothekers war dieses Vorgehen Beihilfe zum Betrug und die Boni-Gewährung ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz.
Die Richter stimmten der Klage insofern zu, als die falschen Doc-Morris-Quittungen Privatpatienten tatsächlich dazu anstifteten, ihre Krankenversicherung zu betrügen. Kostenvorteile müssen demnach weitergegeben werden, weil privat Versicherte meist den vollen Betrag ihrer Versicherung erstattet bekommen. In Sachen Boni teilte das Gericht die Ansicht des Klägers allerdings nicht. Rabatte dieser Art sind seiner Auffassung nach mit Blick auf die Warenverkehrsfreiheit durchaus europrechtskonform. Dabei verwiesen die Richter auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Oktober 2016. Seitdem dürfen ausländische Versender ihren deutschen Kunden Rabatte auf Rx-Arzneien anbieten, während für die Apotheken hierzulande weiter die Preisbindung gilt. In diesem Punkt gewann also Doc Morris.
Bei den von Nagler veranlassten Testkäufen war aber noch etwas anderes aufgefallen: Die Versandapotheke führt offenbar Kundenkonten, die für mehrere Personen gleichzeitig gelten – etwa innerhalb einer Familie. Das verstößt den Richtern zufolge gegen das Bundesdatenschutzgesetz, sofern nicht jeder Einzelne diesem Konto zugestimmt hat. Aktuell würde in diesem Punkt die Datenschutz-Grundverordnung greifen. Das gestrige Urteil stimmt also auch hier der Klage des Apothekers zu.
Für den Sprecher des Landgerichts Stendal, Michael Steenbuck, hat der Fall »Pilotcharakter«. Das betonte er heute gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung. Er vermutet, dass die Parteien noch vor das Oberlandesgericht Naumburg ziehen werden. Auch deshalb, weil »so viel Herzblut« in dem Prozess stecke und er noch »weiße Flecken auf der juristischen Landkarte« füllen könnte. Einen Monat ab Zustellung haben die Beteiligten nun Zeit, um auf das Urteil zu reagieren. Sollte der Streit vor der nächsten Instanz weitergehen, wird das sicher noch ein halbes Jahr dauern, schätzt Steenbuck.