Kindermarketing für Arzneimittel soll verboten werden |
Cornelia Dölger |
04.05.2022 12:24 Uhr |
Gebannt vor dem Bildschirm: Auch bei Arzneimitteln für Kinder hagelt es Werbebotschaften, die riskant sein können. Die TK fordert deshalb, die Regeln zu verschärfen. / Foto: IMAGO/photothek
Je bunter, desto besser, je unterhaltsamer, desto effektiver – wenn es um Werbung geht, die sich an Kinder richtet, geht es meist um knallige Effekte und spannende Geschichten. Das ist auch beim Marketing für Arzneimittel so. Da tauchen Erkältungsmonster auf, die es per Medikament zu bekämpfen gilt, oder es gibt Kinderschauspieler, die nach der Medikamenteneinnahme sofort wieder topfit sind. Die Techniker Krankenkasse hat dazu bei der Universität Hamburg eine Studie in Auftrag gegeben. Deren Ergebnisse, teilte die Kasse jetzt mit, seien besorgniserregend, weil sie zeigten, wie sehr die kinderspezifische Ansprache riskante Erwartungshaltungen bei den Kleinen wecke.
»Auch im Arzneimittelmarketing finden wir Kinderschauspieler, Kuscheltiere oder Zeichentrickfiguren, ebenso wie bunt gestaltete Verpackungen, die die Aufmerksamkeit erhöhen«, berichtet Tobias Effertz von der Uni Hamburg in der TK-Mitteilung. Durch die kindgerechte Ansprache verfestige sich beim Kind das Gefühl, es gebe »Medikamente oder Mittelchen, die Abhilfe schaffen, wenn es mir mal nicht so gut geht«, so der Marketingexperte, der die Studie erstellt hat.
Immer öfter sei Arzneimittelwerbung demnach auf Youtube zu sehen, aber bislang sei das Fernsehen nach wie vor der Hauptkanal. Besonders riskant sei, dass ein Großteil – 65 Prozent – zur Hauptfernsehzeit von Kindern und Familien zwischen 18 und 22 Uhr ausgestrahlt werde. »Neben der gezielten Kinderansprache spricht die Werbung immer auch die Eltern an. Die Werbung suggeriert, dass gute, fürsorgepflichtige Eltern ihre Kinder beim Gesundwerden unterstützen, indem sie das beworbene Arzneimittel kaufen«, so Effertz.
Der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas betonte in der Mitteilung, nicht Werbung oder eine bunte Verpackung sollten darüber entscheiden, ob ein Kind ein Arzneimittel einnehme. »Dafür benötigen Eltern neutrale Informationen.« Hier sei die Politik am Zuge. Es gelte, Kinder und Eltern gleichermaßen zu schützen. So habe während der Coronavirus-Pandemie die Selbstmedikation bei Schmerz- und Fiebermitteln für Kinder die ärztlichen Verordnungen überschritten, wie der TK- Report »Kinder und Arzneimittel« bereits im Frühjahr gezeigt habe. Eltern hätten während der Pandemie die entsprechenden Arzneimittel also vermehrt ohne vorherigen Arztbesuch gekauft.
In diesem Zusammenhang seien neutrale Informationen besonders wichtig, sagte Baas. Es gelte, das Marketing einzudämmen und Werbung für Kinderarzneimittel gänzlich zu verbieten, ähnlich wie es der Koalitionsvertrag für kindspezifische Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt bei bestimmten Sendungen und Formaten vorsehe.