Keine Panik bei starken Nahrungsmittel-Allergien |
Daniela Hüttemann |
03.04.2024 18:00 Uhr |
»Mehr Sicherheit schafft auch eine ernährungstherapeutische Beratung – und das ist mehr als nur Tipps, wie ich ein Lebensmittel vermeide«, so die Ökotrophologin. So sollten zum Beispiel Menschen mit Allergie gegen Getreide, Schalen- oder Hülsenfrüchte regelmäßig kleine Mengen verzehren, um eine gewisse Toleranz zu bewahren. Allergiker müssen lernen, Lebensmittel-Deklarationen richtig zu lesen und einzuschätzen, denn nicht immer sei auf die Etikettierung Verlass. Erbsenprotein sei zum Beispiel im Trend, aber noch nicht als Allergen deklarationspflichtig. Andersherum sind manche Deklarationen zu ungenau (zum Beispiel »Kann Spuren von Schalenfürchten enthalten«).
Auch muss der Nährstoffbedarf trotz einer Allergie altersgerecht gedeckt werden. Das gelte insbesondere bei einer Kuhmilchallergie. Es fehlt nicht nur das Calcium, sondern auch Protein. »Man darf nicht einfach nur Lebensmittel aus dem Speiseplan rausnehmen, sondern muss es auch adäquat ersetzen«, betonte Reese. Für Kuhmilch sei bezüglich des Proteins nur Sojamilch ein relativ guter Ersatz. »Drinks aus Mandel, Cashew, Kokos, Hafer oder Reis können da nicht mithalten.« Die gute Nachricht: Eine Kuhmilchallergie verwachse sich meist mit der Zeit.
Falls bei einem Nahrungsmittelallergiker tatsächlich ein Anaphylaxie-Risiko besteht, braucht er mindestens einen Adrenalin-Pen – und er und sein Umfeld vor allem eine Schulung dazu. Wichtig sei, dass der Patient beziehungsweise seine Betreuer einschätzen können, wie die Reaktion abläuft und was wann zu tun ist. Dazu sollten die Familie und die Schule oder Kita einen Anaphylaxie-Notplan haben, den es neben anderem Material und vielen Tipps auf der Website des Deutschen Allergie- und Asthma-Bundes unter www.daab.de/anaphylaxie gibt. Das Ganze sollte auch durchgespielt werden, denn ein Plan in der Schublade oder allein an der Pinnwand hilft wenig.
»Die Notfallmedikation muss dem angemessen sein, was zuvor schon einmal passiert ist«, so Reese. Wenn ein Kind mit Neurodermitis nach dem Verzehr einer Erdnuss eine Hautverschlechterung hatte, brauche es noch keinen Pen. Der Patient beziehungsweise sein Umfeld muss wissen, bei welchen leichteren Symptomen das Antihistaminikum und Glucocorticoid reichen, wann der Pen zum Einsatz kommen muss und ob der Notruf zu wählen ist. Bei einer reinen Hautreaktion reiche in der Regel das Antihistaminikum.
Bei Atemnot, Husten, plötzlicher Heiserkeit oder pfeifender Atmung sowie Herz-Kreislauf-Symptomen ist sofort der Adrenalin-Pen anzuwenden, was zuvor mit einem Dummy geübt werden sollte. »Das Adrenalin wirkt innerhalb von fünf Minuten, während das Antihistaminikum mehr als 30 Minuten und das Cortison sogar mehr als 60 Minuten braucht«, verdeutlichte die Expertin.
»Die Schulung hilft dem Patienten, an sich selbst zu glauben, damit er weiß, er kann sich im Notfall selbst helfen«, berichtete Reese aus Erfahrung. Kinder sollten möglichst früh auch Eigenverantwortung für sich und ihre Allergie übernehmen. Umgekehrt müssten überprotektive Eltern lernen, loszulassen. Das Umfeld sollte ebenfalls aufgeklärt werden. Ganz wichtig für Ersthelfer: Sie können nichts falsch machen, selbst wenn der Pen unnötig gewesen wäre. Das einzig Falsche ist, nichts zu tun.