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AOK-Bericht

Jede zweite Antibiotika-Verordnung nicht erste Wahl

Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) meldet, im vergangenen Jahr sei jedes zweite abgerechnete Antibiotikum ein »Reserveantibiotikum« gewesen. Dabei legt die Kasse diesen Begriff jedoch sehr großzügig aus.
Daniela Hüttemann
18.09.2020  11:00 Uhr
Jede zweite Antibiotika-Verordnung nicht erste Wahl

Nach Berechnung des WIdO entfielen im vergangenen Jahr insgesamt 34 Millionen Verordnungen im Wert von 766 Millionen Euro auf Antibiotika. Bei knapp 18 Millionen Rezepten habe es sich dabei um »Reserveantibiotika« gehandelt, schlägt das Institut Alarm. Dabei handelt es sich aber nicht nur um spezielle i.v.-Präparate. Das WIdO bezeichnet alles als Reserve, was nicht zu den Basispenicillinen mit oder ohne β-Lactamase-Inhibitor, bestimmten Cephalosporinen, Penicillinen mit erweitertem Spektrum und Tetrazyklinen zählt sowie Fosfomycin oral und Nitrofurantoin bei Harnwegsinfekten.

Damit fallen alle Chinolone (Floxacine), Makrolide, Folsäure-Antagonisten unter »Reserveantibiotika«. Reserverantibiotika sind als solche definiert, die nur bei Infektionen mit resistenten Erregern angewendet werden beziehungsweise bei schweren Infektionen, wenn mit resistenten Bakterien zu rechnen ist. Laut WIdO habe im vergangenen Jahr im Schnitt jeder sechste Versicherte mindestens einmal ein Antibiotikum aus der zweiten Therapiereihe beziehungsweise der Reserve erhalten. Laut WIdO sei dieser Anteil immer noch »besorgniserregend hoch«, auch wenn der Anteil in den letzten knapp 20 Jahren gesunken sei.

So lag der Prozentsatz im Jahr 2000 noch bei 53 Prozent der 49 Millionen Antibiotika-Verordnungen insgesamt. Bis 2011 stieg der Prozentsatz der Reserve-Antibiotika auf 66 Prozent (bei 39 Millionen Verordnungen) und sinkt seitdem wieder auf nun 53 Prozent bei 34 Millionen Verordnungen.

Die AOK betont, dass Reserveantibiotika nicht zur Therapie »normaler« Infektionen wie Erkältungen eingesetzt werden sollten, sondern nur bei schweren bakteriellen Infektionen. »Je sorgloser sie verordnet werden, desto resistenter werden Bakterien gegen Antibiotika«, warnt Helmut Schröder, stellvertretender WIdO-Geschäftsführer. Das kritische Hinterfragen jeder Antibiotikaverordnung und ein rationaler, leitlinienkonformer Einsatz von Reserveantibiotika sei weiter angezeigt, so Schröder: »Die goldene Regel zur Verordnung von Antibiotika, die wir schon 2001 kommuniziert haben, ist nach wie vor brandaktuell: So wenig wie nötig und so gezielt wie möglich.«

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