Ist KIM wirklich eine Alternative fürs E-Rezept? |
Jennifer Evans |
25.08.2022 14:15 Uhr |
Schon seit rund zwei Jahren können Ärzte und Apotheker über KIM sicher kommunizieren. Doch wenn das E-Rezept ins Spiel kommt, stellen sich rechtliche Fragen. / Foto: Adobe Stock/peshkov
Welche Verfahren sind sicher, um den E-Rezept-Code zwischen Arztpraxis, Patienten und Apotheken zu transportieren? Die Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein, Marit Hansen, hatte in der hitzigen Debatte nach dem Ausstieg der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein aus dem E-Rezept-Projekt als zusätzliche Möglichkeit den Messengerdienst KIM (Medizin im Gesundheitswesen) in Betracht gezogen. Zur Erklärung: KIM und der dazugehörige Messenger-Dienst sind das Standard-Übermittlungsverfahren für medizinische Dokumente, über das sich Heilberufler in der Telematik-Infrastruktur (TI) verschlüsselt austauschen können. Und zwar über die Sektorengrenzen hinweg.
Wie kann KIM aber nun beim E-Rezept-Prozedere als alternativer Transportweg dienen? In einem Schreiben an die KV Schleswig-Holstein hatte die Datenschützerin Hansen erklärt, dass das KIM-Verfahren in Betracht komme, weil es Ende-zu-Ende verschlüsselt sei. Allerdings müsse der Patient vorher zustimmen, bevor der Arzt das E-Rezept direkt an die Apotheke schicke. Aber handelt es sich in diesem Fall nicht um eine unzulässige Zuweisung? Schließlich verbieten das Makel- und Zuweisungsverbot eine direkte Zuweisung von Rezepten, damit der Patient die freie Apothekenwahl behält. Die PZ hat bei Hansen und der Gematik dazu nachgehakt.
Hansen sagte auf PZ-Anfrage: »Wenn es wirklich so ist, dass die Weiterleitung von Rezepten vom Arzt direkt an die Apotheke untersagt ist, hilft natürlich KIM, mit dem ›nur‹ der Übertragungsweg sicher gestaltet ist, nicht weiter.« Als absolutes Verbot habe sie die Regelung in § 11 Apothekengesetz (ApoG) zu den unzulässigen Zuweisungen aufgrund von Absprachen bisher aber nicht verstanden. Sollte es sich dabei jedoch nicht um ein absolutes Verbot handeln, wäre es aus Hansens Sicht vorstellbar, die Direkt-Übertragung von der Arztpraxis an die Apotheke dann vorzunehmen, wenn dies vom Patienten so gewollt oder sogar unmittelbar ausgelöst werde. In dem Fall läge nämlich die die Wahl der Apotheke weiterhin beim Patienten.
Grundsätzlich müssen Hansen zufolge aber »alle datenschutzkonformen Lösungen zur Übertragung des E-Rezeptes auch mit den weiteren rechtlichen Regelungen, die für Arztpraxen oder Apotheken gelten, konform sein«. Gleichzeitig bemerkte sie, dass dieses Thema »außerhalb meiner Zuständigkeit« liege und der KIM-Lösungsansatz zunächst »nur als Vorschlag« gedacht gewesen sei, der »sich lohnen könnte, ihn weiterzuverfolgen«.
Die Gematik stellte auf PZ-Nachfrage klar, dass KIM tatsächlich »momentan für Ausnahmeregelungen« genutzt werden kann. »Dies haben wir im Kontext der zukünftigen Funktion Direktzuweisung zum Beispiel für die Ausnahmeregelungen im Apothekengesetz (z.B. Parenterale Zubereitungen, Heimbelieferung) vorgesehen.« Ob das aber auch für das E-Rezept grundsätzlich eine zusätzliche Option sein kann, ging aus der Antwort der Gesellschaft nicht klar hervor. Es hieß lediglich: Da Patienten bisher keine eigene KIM-Adresse besäßen, komme der Dienst derzeit nur in oben genannten Ausnahmefällen zum Einsatz. Die Gematik nutzte aber die Gelegenheit und betonte in diesem Zusammenhang gegenüber der PZ, dass KIM für Apotheken zukünftig ein »zunehmend wichtiges Thema« werde. Die PZ hatte bereits darüber berichtet, dass die KIM-Nutzer aktuell noch vorwiegend Ärzte sind.
Zum Hintergrund: Das Thema Datenschutz und E-Rezept wird derzeit heiß diskutiert. Aber die Wogen wollen sich noch immer nicht recht glätten. Anlass der Aufregung war der überraschende Rückzug der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein aus dem E-Rezept-Projekt. Die Datenschutzbehörde des Landes hatte Probleme bei der Weiterleitung der Data-Matrix-Codes an die Versicherten in einem bestimmten Mail-Programm gesehen. Konkret hatte Hansen Bedenken bei der Übermittlung via Mail-Programm des Software-Anbieters Medisoftware angemeldet. Schleswig-Holstein war eigentlich zusammen mit Westfalen-Lippe ab dem 1. September 2022 als Testregion für das E-Rezept eingeplant. Darauf hatte sich die Gesellschafterversammlung der Gematik geeinigt, zu der auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gehört.
Hansen hatte die digitale Verordnung allerdings nicht an sich in Frage gestellt und in Zusammenhang mit ihrer Einschätzung auf die anderen sicheren Möglichkeiten der Rezept-Code-Übermittlung verwiesen. Zum einen, in dem der Arzt seinem Patienten den Token ausdruckt, zum anderen über die staatliche E-Rezept-App der Gematik.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.