Intervallfasten beeinträchtigt Haarwuchs |
Beim Fasten investiert der Körper weniger Ressourcen in das Haarwachstum. / © Adobe Stock/Pixel-Shot
Intermittierendes Fasten findet weltweit viele Anhänger. Sie essen zu bestimmten Zeiten (zum Beispiel acht Stunden pro Tag) und fasten ansonsten (die restlichen 16 Stunden). In der Summe führt dies zu einer niedrigeren Kalorienaufnahme. Viele Publikationen berichten über positive Folgen solcher Ernährungsschemata. So soll IntervallfastenTyp-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen oder Entzündungen dämpfen. In neuerer Zeit kommen jedoch auch kritische Töne auf: Möglicherweise nehmen Gallensteinleiden oder das Darmkrebsrisiko zu.
Eine neue Studie beleuchtet nun die Wirkung von Intervallfasten auf das Haarwachstum. Anscheinend wird es durch das Fasten deutlich schwächer. Das berichtet die Arbeitsgruppe um Dr. Han Chen von der Westlake University in China im Fachjournal »Cell« (DOI: 10.1016/j.cell.2024.11.004).
Demnach ist bereits bekannt, dass Fasten umfassende Wirkungen auf die Aktivität von Stammzellen hat. Von diesen spezialisierten Zellen hängt die Regenerationsfähigkeit der Gewebe ab. Man findet Stammzellen mit vielen anderen spezialisierten Zellen in den sogenannten Gewebenischen. Dort werden sie durch lokale oder systemische Signale reguliert. Die Signale bestimmen das Schicksal dieser Zellen und leiten Aktivitäten wie Zellteilung und Regeneration, aber auch Inaktivität und Apoptose ein. Dadurch kann der Körper individuell jedes Gewebe auf veränderte Umstände einstellen und damit das Überleben des Organismus sichern.
Als gesichert gilt ebenfalls, dass die verschiedenen Stammzellen auf Fasten ganz unterschiedlich reagieren. Zum Beispiel wird die Aktivität der Stammzellen im Darm durch Fasten erhöht, die Stammzellen im Muskel gehen in eine inaktive Phase über und die Stammzellen in der Haut bleiben unbeeinflusst. Die Daten der Arbeitsgruppe zeigen, dass die Haarfollikel-Stammzellen (HFSC) mit Inaktivität und Apoptose reagieren.
Der Sinn dieser Reaktion ist wahrscheinlich, dass sich der Körper bei Nahrungsknappheit auf die wesentlichen Funktionen konzentriert, wie etwa die Nährstoffaufnahme im Darm, interpretieren die Autoren. Andere energieaufwendige Funktionen wie der Aufbau von Haaren sei entbehrlich, weil nicht lebensnotwendig.
Im Normalfall durchlaufen die HFSC zyklische Phasen von Inaktivität und Aktivität. Die Autoren konnten zeigen, dass bei rasierten Mäusen die Stammzellen aktiv werden und neues Haarwachstum einleiten.
Wenn die Forschenden aber die Tiere einem intermittierenden Fasten aussetzten - etwa mit acht Stunden Zugang zu Nahrung und 16 Stunden Nahrungskarenz - blieb der Zyklus der Haarregeneration stehen, außerdem gingen mehr Stammzellen in die Apoptose über. Während die Mäuse mit uneingeschränktem Nahrungsangebot innerhalb von 30 Tagen die rasierten Haare regenerierten, dauertes das Haarwachstum beim intermittierenden Fasten 96 Tage lang.
Das Team setzte nun die Mosaiksteine aus den verschiedenen Versuchen zusammen und entwickelte folgende Theorie:
Aus den Ergebnissen ergibt sich auch die Frage, ob es möglich ist, durch die Zufuhr von Antioxidanzien das Überleben der HFSC beim Fasten zu garantieren. Die Arbeitsgruppe trug dazu antioxidativ wirkendes Vitamin E auf die Haut der Tiere auf. Zusätzlich steigerte sie über genetische Eingriffe die antioxidative Kapazität der Zellen. Dadurch überlebten die HFSC die Fastenperiode häufiger.
Seit längerer Zeit ist bekannt, dass Menschen, die durch Diäten schnell an Gewicht verlieren, Haarausfall bekommen können. Daher prüfte das Team, ob in den Haarfollikel-Stammzellen von Menschen ähnliche Prozesse ablaufen wie in denen der Mäuse. Hierfür rekrutierten sie 49 gesunde, junge Probanden, von denen ein Teil ein 18/6-Intervallfasten einhielt, während der Rest nach Belieben essen konnte. Tatsächlich nahm die Geschwindigkeit des Haarwuchses in der Intervallfasten-Gruppe um 18 Prozent ab. Im Tierversuch waren die Einbußen insgesamt wesentlich größer, das liegt aber vermutlich daran, dass die Tiere sie einen schnelleren Stoffwechsel haben und sich Fasten im Stoffwechsel schneller bemerkbar macht.
Allerdings seien hier noch weitere Untersuchungen notwendig. »Die menschliche Population ist sehr heterogen. Der Effekt mag für jedes Individuum anders ausfallen«, schränkt Seniorautor Dr. Bing Zhang von der Westlake University in einer Mitteilung des Journals ein. »Wir wollen aber den Leuten, die intermittierendes Fasten praktizieren, keine Angst machen, da es mit wirklich vielen positiven Wirkungen verbunden ist, nur sollte man sich bewusst sein, dass es auch nicht beabsichtigte Effekte auslöst.«
Aus den Ergebnissen haben sich viele neue Fragestellungen ergeben. Zum Beispiel plant die Forschergruppe, Metaboliten zu identifizieren, die das Überleben der HFCS anstoßen und das Haarwachstum während des Fastens fördern könnten, so Zhang. Interessant sei auch die Erkenntnis, dass von außen eingebrachte Antioxidanzien die negative Wirkung des Fastens auf die Haarwurzeln dämpfen. Dies könnte eine Strategie für Menschen sein, unerwünschte Fastenfolgen auf das Haar abzuwenden.