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Großhandel wehrt sich gegen Pfizer

05.09.2005  00:00 Uhr
Distribution

Großhandel wehrt sich gegen Pfizer

von Thomas Bellartz, Berlin

Seit Wochen bewegt das so genannte »Pfizer-Modell« die Gemüter. Der weltgrößte Pharmahersteller plant eine Änderung des Vertriebswegs für seine Arzneimittel in Deutschland. Nun wehrt sich der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) gegen den mächtigen US-Konzern.

Die PZ, der der Vertragsentwurf von Pfizer bereits seit einiger Zeit vorliegt, berichtete mehrfach ausführlich und machte die Fachöffentlichkeit auf die Problematik aufmerksam. Sogar der »Spiegel« berichtete über die Pfizer-Absichten.

Die 16 im Phagro zusammengeschlossenen Pharmagroßhändler eint ein Problem: Als einzelne Unternehmen fühlen sich sogar die großen unter Ihnen, darunter die Tochterunternehmen der beiden größten europäischen Großhandelskonzerne, dem Druck Pfizers nicht gewachsen. Und so war in den vergangenen Wochen kein klares und offen ausgesprochenes Statement aus den Unternehmen zu hören. Man befürchtet nachteilige Konsequenzen für den Fall, dass Pfizer tatsächlich den Distributionsweg in Deutschland ändern will. Seit Wochen informiert der Konzern mit Hauptsitz in New York City auch gezielt Apotheken über sein Vorhaben. In großen Tageszeitungen und Wirtschaftsblättern werden Informationen platziert, um den Boden für einen kalten Systemwechsel zu bereiten.

Phagro: Pfizer will Kontrolle

Die Phagro-Erklärung vom Wochenbeginn ist unmissverständlich. Dort heißt es: Pfizer wolle »mit einem völlig neuen Distributionssystem« Kontrolle über den Markt bekommen. Die vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen lehnten »die damit verbundene gravierende Beeinträchtigung des Systems der Arzneimittelversorgung in Deutschland mit guter Begründung ab«.

Die Versorgung von Patienten mit Arzneimitteln sei Aufgabe der mehr als 21.000 Apotheken. Dieser öffentliche Versorgungsauftrag könne erfüllt werden, weil die Phagro-Mitglieder, auf Grund des von ihnen konsequent praktizierten Prinzips der Vollversorgung, allen Apotheken eine zeitnahe und kontinuierliche Belieferung mit ihrem herstellerneutral zusammengesetzten Sortiment garantieren. Damit werde letztendlich auch die Therapiefreiheit von Ärzten unterstützt. Der Phagro: »Denn nur die Herstellerneutralität des Großhandels garantiert den erwünschten Wettbewerb auf der Unternehmensebene.« Angebotsvielfalt, Innovationen und auch Kosteneinsparungen seien »die erwünschten Folgen dieses Wettbewerbs«. Dieses gut funktionierende System wolle Pfizer durch das neue Distributionsmodell ersetzen. Dementsprechend wolle der Hersteller vor allem durch eine lückenlose Dokumentation des Warenflusses eine umfassende Kontrolle über den Verbleib seiner Ware bis hin zur Apotheke.

Sollte ­ wie das Modell dies vorsehe ­ nur ein Teil dieser Unternehmen von Pfizer ausgewählt werden, verlören die nicht daran beteiligten Großhandlungen einen wichtigen Bestandteil ihres Sortiments und würden dadurch im Wettbewerb gravierend benachteiligt. Beim Phagro befürchtet man »eine massive Veränderung des bestehenden Marktgefüges« als Folge einer solchen Umsetzung.

Weiterhin wolle sich der Hersteller zukünftig das Eigentum an der Ware bis zur Übergabe an die Apotheken vorbehalten und auch sonst laufe vieles auf »Anweisungen« an die Partner hinaus. Die Kontrolle über die Ware bis zur Übergabe an den Apotheker soll laut Phagro durch eine umfassende Dokumentation, die die täglichen Lieferungen an jede einzelne Apotheke einschließt, gewährleistet werden.

Die Rechnungen für Pfizer-Produkte müssten separat erstellt, die Produkte selbst nach Anweisung des Herstellers im Großhandelslager platziert werden. Die Behandlung der Apothekenaufträge und die Auslieferung an die Apotheken würden nur nach den Vorgaben von Pfizer erfolgen. Das würde eine Verteuerung der Distributionskosten nach sich ziehen, denn die organisatorischen Effizienzvorteile durch die ausgefeilte Logistik des pharmazeutischen Großhandels würden damit zunichte gemacht.

Unter Umgehung der Arzneimittelpreisverordnung soll der »Partner« eine Logistik-Gebühr und damit keine eigene, herstellerunabhängige Erwerbsgrundlage mehr erhalten. Über dieses Entgelt dürfe er auch nicht selbstständig verfügen, denn Pfizer untersage eigene Konditionsverhandlungen mit seinen Apotheken-Kunden. Damit verlöre der Großhandel ein wichtiges Wettbewerbsinstrument zur Förderung und Honorierung einer wirtschaftlichen Bestellweise seiner Kunden, die folglich einen Teil ihrer Erträge verlören. Die als »Partner« ausgewählten pharDie als »Partner« ausgewählten pharmazeutischen Großhandlungen würden durch die beabsichtigten Maßnahmen als selbstständige und eigenverantwortliche Handels-Unternehmen ausgeschaltet und zu reinen Logistik-Dienstleistern herabgestuft. Die an dem Modell nicht beteiligten Großhandlungen verlören mit sämtlichen Pfizer-Produkten einen wichtigen Bestandteil ihres Sortiments und würden dadurch im Wettbewerb ungerechtfertigt benachteiligt. Die Großhändler befürchten, dass in Folge dessen gewachsene Kundenbeziehungen zerstört würden, denn viele Apotheken könnten zukünftig nicht mehr von ihren bisherigen Vertragspartnern mit Pfizer-Arzneimitteln beliefert werden. Der Phagro sieht erhebliche Defizite: »Dies bedeutet eine schwerwiegende Beschränkung ihres Rechts auf freie Wahl ihrer Lieferanten mit allen damit verbundenen Konsequenzen.«

Begründet werde dies von Pfizer mit der Sicherstellung der Belieferung deutscher Patienten, weil man vermute, dass über Großhandel und Apotheken ein Teil der ausgelieferten Waren in Länder verkauft werde, in denen einzelne Produkte höhere Marktpreise haben. Laut Phagro ist dies aber »legal und sowohl aus deutscher als auch europäischer Sicht sogar wesentlicher Bestandteil der Gesundheits- und Wettbewerbspolitik«. Der Phagro zweifelt an Pfizers Begründung, wonach immer mehr Fälschungen von Arzneimitteln auf dem deutschen Markt auftauchten. Dies sei bislang nicht durch Beispiele belegt worden.

Weiter heißt es: »Tatsache ist allerdings, dass mit dem Pfizer-Modell eine absolute Transparenz über die täglichen Bezugsmengen jeder Apotheke entstehen würde. Der Rückschluss auf die arzneimittelbezogenen Verordnungen von Arztpraxen wäre dann nachvollziehbar. Hierdurch würde der heute bestehende Wettbewerb ungerechtfertigt beeinträchtigt und einem Hersteller ein einseitiger Vorteil verschafft.«

Der Phagro sei sich mit Pfizer und der deutschen Apothekerschaft einig, dass die Versorgungssicherheit und die Verhinderung von Arzneimittelfälschungen absoluten Vorrang haben. Pfizer ignoriere jedoch mit seiner Planung wesentliche Umstände. Weder sei das Modell geeignet, Exporte aus Apotheken zu stoppen, so dass sich zukünftig die Aktivitäten der Aufkäufer noch mehr als bisher auf Apotheken konzentrieren würde. Noch werde die Einschleusung von Fälschungen wirksam verhindert, da Pfizer den Handel mit seinen Produkten nicht verbieten könne. Vor allem aber sei das Vorhaben von Pfizer »völlig unverhältnismäßig«. Die geltend gemachten Lieferengpässe treten laut Phagro nicht beim gesamten Pfizer-Sortiment auf, sondern nur bei einigen wenigen umsatzstarken Produkten, deren Preis im Ausland deutlich über dem deutschen liege. Und für diese Arzneimittel sei bereits eine Kontingentierung durch den Hersteller eingeführt worden. Der Phagro sei jedoch »jederzeit bereit, sofern es eine Notwendigkeit aus Sicht der Hersteller gibt, gemeinsam unter Einbeziehung der Apothekerverbände über Verbesserungen des Systems zu sprechen, die das bewährte Distributionssystem nicht gefährden«. Die von Pfizer gewünschte Datenlieferung wäre zum Beispiel technisch möglich, könnte aber nur erfolgen, wenn die betroffenen Apotheken damit einverstanden wären. Auch erscheine eine politische Lösung zur Regelung der von Pfizer geltend gemachten Probleme sogar in absehbarer Zeit realistisch, «denn es gibt aussagekräftige Anzeichen dafür, dass die europäische Bürokratie ihre bisherige einseitige Bevorzugung des liberalen Warenverkehrs im Arzneimittelbereich zugunsten der Versorgungssicherheit der nationalen Märkte und der Unterstützung der forschenden Industrie relativiert«. Ein gemeinsames Vorgehen der Verbände sollte daher auf jeden Fall im Interesse aller Marktbeteiligten in Berlin und Brüssel unverzüglich eingeleitet werden. Top

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