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Schwarzkümmels kleine Körner groß im Kommen

16.08.1999  00:00 Uhr

-TitelGovi-Verlag

NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL

Schwarzkümmels kleine Körner
groß im Kommen

von Tanja Schweig, Alsdorf

Kennen Sie türkisches Fladenbrot? Haben Sie schon einmal die schwarzen Körner darauf bemerkt? Das ist Schwarzkümmel. Mit dem Gewürz verfeinern die arabischen und orientalischen Bäcker seit Jahrhunderten ihre Backwaren. Auch in der Religion und traditionellen Volksmedizin dieser Länder erlangte der Schwarzkümmel Ansehen. Sogar in Europa war er bekannt, verlor aber in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr an Bedeutung. Jetzt ist er in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel wieder in Mode gekommen, und Laienratgeber, Anzeigen sowie Internetartikel loben seine Eigenschaften. Was ist dran an dem altbekannten Brotgewürz?

Im Ägyptischen Museum in Kairo kann sie jeder bewundern: eine über 3300 Jahre alte Flasche mit dem Öl der Schwarzkümmelpflanze. Sie wurde bei der Mumie des Königs Tutenchamun (1347 bis 1337 v. Chr.) gefunden, dem sein Volk das Öl neben Goldschätzen ins Grab legte. Der griechische Arzt Hippokrates (460 bis 375 v. Chr.) erwähnte eine Pflanze mit dem Namen Melanthion, zu deutsch Schwarzblume, wobei nicht ganz geklärt ist, ob damit der heutige Schwarzkümmel gemeint war.

Ebenso berichtete der griechische Mediziner Pedanius Dioskurides von Anazarba (1 Jh. n. Chr.) über Melanthion in seinen Büchern, und zwar zur Anwendung als Umschlag bei Kopfschmerzen, Leberflecken, Verhärtungen, Aussatz und Spulwürmern sowie innerlich bei Regelschmerzen, als Diuretikum und zur Milchbildung. Vor zu großen Dosen warnte er, weil diese giftig seien. Der römische Arzt Claudius Galenus aus Pergamon (130 bis 200 n. Chr.) empfahl die Samen als Wurmmittel. Unter der Bezeichnung Melaspermon beschrieb der römische Historiker Gajus Plinius (23/24 bis 79 n. Chr.) wahrscheinlich den Schwarzkümmel als eine Pflanze, mit der man Schlangen vertreiben könne (12, 25).

Das Gewürz in Geschichte und Glauben

In der Bibel wird im Alten wie im Neuen Testament Schwarzkümmel erwähnt. Als Martin Luther (1483 bis 1546 n. Chr.) allerdings die Bibel ins Deutsche übersetzte, blieb von dem alten hebräischen Wort kazach für Schwarzkümmel nur noch der Begriff Kümmel übrig (10, 15, 33, 36). Der Anbau von Schwarzkümmel war in biblischer Zeit üblich. So beschreibt das Alte Testament bäuerliches Know-how im Gleichnis vom Landmann (Jesaja 28, 24 bis 29): "Pflügt etwa der Pflüger allezeit, um zu säen, reißt er auf und eggt seinen Acker? Nein! Er streut Dill und sät Kümmel, legt Weizen und Gerste und Emmer bis an den Rand, sobald er seine Fläche geebnet. Damit dies recht geschieht, unterweist und belehrt ihn sein Gott. Denn nicht mit dem Schlitten drischt man den Dill, führt das Wagenrad nicht über den Kümmel, sondern mit dem Stab drischt man den Dill aus, mit dem Stecken den Kümmel."

Schwarzkümmel war ein wertvolles Gewürz, auf das Steuern erhoben wurden. Deutlich wird das im Neuen Testament, als Jesus eine Strafrede hält (Matthäus 23, 23): "Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr berechnet den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel, doch was von größerem Gewicht ist im Gesetz, das vernachlässigt ihr: das Recht und die Barmherzigkeit und die Treue." Schwarzkümmel erlangte auch in der islamischen Religion und Medizin eine erhebliche Bedeutung. Der Prophet Mohammed (570 bis 632 n. Chr.) schrieb im Koran im Buch Hadith (32): "Schwarzkümmel heilt jede Krankheit, außer den Tod."

Als alte Kulturpflanze erscheint Schwarzkümmel im Capitulare Karls des Großen (25). Karl der Große (747 bis 814 n. Chr.) und sein Sohn Ludwig der Fromme (778 bis 840 n. Chr.) sollen den Befehl erteilt haben, Schwarzkümmel auf den europäischen Landgütern anzubauen. Der Arzt, Naturforscher und Philosoph Philippus Aureolus Theophrastus Paracelcus (1493/94 bis 1541 n. Chr.) erwähnte die Pflanze ebenfalls in seinen Werken. In den Kräuterbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts – zum Beispiel im New Kreuterbuch aus dem Jahre 1626 von Matthiolus – findet sich der "Schwarze Coriander" als Diuretikum, Emmenagogum, Galaktagogum, Antiasthmatikum und gegen Flatulenz. Sein Öl könne bei Verhärtungen, Geschwülsten der Milz, äußerlich bei beginnendem grauen Star, Hautleiden, Hühneraugen, Zahnschmerzen und Schnupfen helfen (25).

Die Autoren Weinmann (Phytanthoza iconographia, Regensburg 1742) und v. Haller (Medicin. Lexikon, 1755) empfahlen den Schwarzkümmelsamen bei Flatulenz, Febris quartana (Malaria), als eröffnendes, "verdünnerndes", diuretisches und galaktagoges Mittel sowie als Niespulver (25). Eine Monographie der Droge befindet sich unter "Semen Nigellae" im Ergänzungsband zum Deutschen Arzneibuch, 6. Ausgabe. Auch Hagers Handbuch von 1977 beschreibt den Schwarzkümmel (16, 27). Im Zeitalter der Industrialisierung gewann man aus dem Schwarzkümmel Fruchtessenzen und -aromen in Fruchtätherfabriken und der Parfümindustrie (16, 17).

Schwarzkümmel ist wieder aktuell

Schwarzkümmel schien zumindest im deutschen Raum in Vergessenheit geraten zu sein, als der deutsche Arzt Dr. Peter Schleicher ihn 1994 wieder entdeckte. Das wertvolle Pferd seiner Tochter war an Asthma erkrankt und erhielt auf Empfehlung eines Tierarztes aus Ägypten Schwarzkümmelsamen ins Futter gemischt (32). Das Pferd wurde gesund, und der Samen gelangte in das Institut zur Erforschung neuer Therapieverfahren chronischer Krankheiten und Immunologie, München, das Schleicher seit 1984 leitet. Der Arzt verfasste 1996 einen Laienratgeber über den Schwarzkümmel und begann, den Vertrieb eines Präparates mit Schwarzkümmelöl aufzubauen.

Inzwischen sind im deutschen Buchhandel 17 Titel verfügbar. Zahlreiche Firmen bieten Samen, Öl, Kapselpräparate und Hautpflegeserien für Apotheken und Reformhäuser an. Wer im Internet nach Schwarzkümmel fahndet, findet hunderte Einträge – hauptsächlich allerdings Werbung und Bestellangebote.

Traditionelles Heilmittel gegen allerlei Gebrechen

Samen und Öl des Schwarzkümmels gehören heute noch im arabischen Raum zu den wichtigsten Gewürzen. In Indien ist Schwarzkümmel ein Bestandteil von Curry und anderen Gewürzmischungen. Das Schwarzkümmelöl wird in Ostindien als Speiseöl genutzt (16, 17).

Schwarzkümmelsamen wurden seit alters her als Heilmittel verabreicht. Die Samen wurden nicht nur gegessen, sondern auch als Tee aufgebrüht oder in Säckchen gefüllt und inhaliert. Das Pressöl trug man auf die Haut auf oder nutzte es als Badezusatz. Im Laufe der Jahrhunderte kam der Schwarzkümmel bei vielfältigen Indikationen zum Einsatz: Erkältungen, Kopf-, Ohren- und Zahnschmerzen, rheumatische Erkrankungen, Magen-Darm-Beschwerden, Bronchialasthma, Ekzeme, Bluthochdruck, alle Krebsarten, zur Schweißhemmung, Milchbildung, bei Kindbett- und Gebärmuttererkankungen, Regelbeschwerden, zur Potenzsteigerung und Abtreibung, als Diuretikum, bei Hämorrhoiden, gegen Würmer und bei Fieber, auch nach giftigen Stichen und Bissen. Im Haushalt diente Schwarzkümmel als Insektenschutzmittel für Textilien. Außerdem wurde er zur Herstellung von Duftwässern, Puder und Bädern verwendet. (16, 17, 24, 25).

Volkstümlich Brotwurz genannt

Nigella sativa L. ist die Stammpflanze des Schwarzkümmels. Sie stammt wahrscheinlich aus Westasien. Von dort aus verbreitete sie sich im Nahen Osten, kam nach Südeuropa, Nordafrika (Marokko), Indien, in die Balkanländer und nach Südrußland. Sie wird heute noch angebaut in Indien, Bangladesch, der Türkei, im Mittleren Osten, Mittelmeerraum und Ägypten. Nigella sativa gehört zur Familie der Ranunculaceen. Synonyma sind Nigella indica ROXB. und Nigella truncata VIV (16). Im Deutschen findet sich der volkstümliche Name Brotwurz, ein Hinweis auf den Einsatz als Gewürz zum Brotbacken (22).

Den meisten besser vertraut ist eine Zierpflanze, die wie der Schwarzkümmel zur Familie der Ranunculaceen zählt und ebenso den Stammpflanzen-Namen Nigella trägt: Nigella damascena L., der Damascener oder Türkische Schwarzkümmel. Bekannt ist die Schnittblume unter den Namen Jungfer im Grünen, Gretel im Busch, Gretel in der Heck’ und Braut in Haaren (16). Die Blume war einst das Symbol für verschmähte Liebe. Ein Mädchen sandte sie in einem verdeckten Korb an den abgewiesenen Freier, der damit die Botschaft und "einen Korb bekam" (7). An eine "Braut in Haaren" erinnert die Pflanze, weil die weißliche Blüte von einer grünen, haarförmig-fein zerschlitzten Blatthülle eingerahmt ist (9). Im Unterschied zu Nigella sativa sind ihre Blätter länglicher, dünner und ihre Blüten größer und farbintensiver. Ihre Samen werden auch Ananas- und Erdbeerkümmel genannt, weil sie beim Zerreiben nach Ananas oder Erdbeeren riechen.

Daneben kommen weitere Nigella-Arten vor: Nigella aristata, Nigella orientalis, Nigella hispanica, Nigella garidella, Nigella integrifolia und andere Arten. Die Samen dieser Stammpflanzen werden hauptsächlich als Verfälschungen oder Verwechslungen in der Literatur aufgeführt (16, 17).

Das Original Nigella sativa

Nigella sativa ist einjährig. Das Kraut wächst 30 bis 60 Zentimeter hoch. Die Stengel sind einfach oder mehrfach verzweigt und behaart. Die Laubblätter fallen durch ihre mehrfach fiederspaltige Form mit lanzettlichen bis linealen Abschnitten auf. Die Blüten sind klein; ihre fünf Blütenhüllblätter sind milchweiß, an der Spitze grünlich oder bläulich gefärbt (16). Die Blütezeit ist Juni bis August (25). Der Samen befindet sich in einer behaarten Kapsel, ähnlich einer Mohnkapsel.

Für den Anbau wird der Samen zwischen September und Ende Oktober ausgesät. Die Ernte beginnt, wenn die Pflanzen von unten her absterben, die Samenkapseln hellbraun und die Samen ausgereift sind. Die abgemähten Pflanzen trocknen auf Baumwoll- oder Leintüchern, bevor sie ausgedroschen und die Samen in der Ölmühle kalt ausgepresst werden. Alternativ kann das fette Öl aus den Samen mit Ether oder Hexan extrahiert werden, die Kaltpressung soll aber ein hochwertigeres Öl liefern (32). Bedingt durch die starke Nachfrage und den hohen Preis sind im Nahen und Mittleren Osten häufig Verfälschungen auf dem Markt. Deutsche Importeure pressen darum das Öl oft selbst oder lassen es im Auftrag und unter Kontrolle durch kleine Ölmühlen im Mittelmeerraum pressen (2).

Als Handelsbezeichnungen finden sich die Begriffe Semen Nigellae sativae, Semen Cumini nigri und Semen Melanthii. Im Deutschen ist er als Schwarzkümmel oder Schwarzer Kreuzkümmel im Handel. Auch Römischer Kümmel, schwarzer römischer Koriander, Nigellensamen und Cumin tauchen als Bezeichnungen auf. Als Schwarzkümmel werden manchmal auch die Samen von Nigella damascena und Datura stramonium bezeichnet (16, 24).

Der reife Samen ist 2 bis 3,5 Millimeter lang und 2 Millimeter dick. Seine Form gleicht einem Ei oder Keil; er hat drei bis vier Kanten, und sein Rücken ist schwach gewölbt. Seine Farbe ist matt schwarz, seine Oberfläche wirkt samtig, ist schwach netzadrig und feingekörnt strukturiert. Zerreibt man die Samenkörner, so riechen sie stark aromatisch; der Geruch wird als anis-, oregano-, muskat-, pfeffer- und kampferähnlich beschrieben. Anfangs schmeckt der Samen schwach bitter, später scharf und würzig. Er hat eine süßliche und nussige Komponente. Verfälschungen fallen auf, weil sie grau und kleiner erscheinen, dunkelbraun und nierenförmig sind oder es sich um größere Samen mit grobnetzartiger Oberfläche handelt. Verwechselt werden kann der Nigella-sativa-Samen mit dem stark Alkaloid-haltigen Samen von Datura stramonium, dem Stechapfel (16, 27)!

Fettes und ätherisches Öl sind Bestandteile

Nährwertanalysen der Samen ergaben einen Gehalt von rund 20 bis 21 Prozent Protein, 32 bis 35 Prozent Fett, 34 bis 37 Prozent Kohlenhydrate, 6 Prozent Wasser, 6 bis 7 Prozent Ballaststoffe sowie andere Bestandteile; außerdem wurden Calcium, Eisen, Natrium und Kalium nachgewiesen. Das Eiweiß ist aus 15 Aminosäuren zusammengesetzt, davon sind neun essentiell (5, 28).

Hauptbestandteil ist das fette Öl, das Oleum Nigellae sativae. Es ist gelblich bis rötlich bis braun gefärbt und riecht stark aromatisch; der Geruch wird als pfeffrig beschrieben. Es setzt sich hauptsächlich aus Fetten zusammen, die folgende Fettsäuren enthalten: Myristin-, Palmitin-, Palmitolein-, Stearin-, Öl-, Linol- und Linolen-, Arachin-, Eikosaen- und Arachidonsäure. Die zweifach ungesättigte Linolsäure ist mit einem Anteil von 55 bis 60 Prozent, die einfach ungesättigte Ölsäure mit 22 bis 25 Prozent und die gesättigte Palmitinsäure mit 12 bis 14 Prozent am häufigsten vertreten (19). In Chargen, die das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker in Eschborn untersucht hat, konnte kein nennenswerter Gehalt an Arachidonsäure nachgewiesen werden (19), andere Autoren fanden 0,1 bis 0,4 Prozent (22). Einige Hersteller und Autoren werben für das Schwarzkümmelöl, weil es wie Nachtkerzen-, Borretschsamenöl oder das Kernöl der schwarzen Johannisbeere Gamma-Linolensäure enthält; mit 0,1 bis 1 Prozent (je nach Untersuchung) ist der Gehalt allerdings sehr viel geringer als in den anderen Ölen.

Weiterhin sind im Samen Sterole enthalten, zum Beispiel Sitosterol, Cholesterol, Stigmastanol und Campesterol. Die Sterole liegen frei, mit Fettsäuren verestert, als Glucoside oder acetylierte Glucoside vor (26).

Für Geruch und Geschmack verantwortlich ist das ätherische Öl (0,4 bis 2,5 Prozent) (22). Es kann durch Dampfdestillation gewonnen werden. Ätherisches Öl geht aber auch beim Auspressen der Samen ins fette Öl über, so dass sich flüchtige Bestandteile ebenfalls aus fettem Öl durch Dampfdestillation gewinnen lassen (8, 21). Das ätherische Öl ist hellgelb und verfärbt sich bei Lagerung rötlich. Es weist ein starkes Aroma auf. Seine Komponenten wurden gaschromatografisch untersucht. Im fetten Öl findet sich circa 1 Prozent flüchtige Bestandteile, unter anderem Thymochinon. Dessen Nachweis eignet sich als Identitätsprüfung für das Apothekenlabor (19). Dünnschichtchromatogramme von Samen und Öl sind in der Pharmazeutischen Zeitung veröffentlicht (34, 35).

Der Inhaltsstoff Nigellon soll ebenfalls Bestandteil des ätherischen Öls sein. Manche Autoren fassen ihn als ein Polymer des Thymochinons auf (18), andere als ein Gemisch von dimerisiertem Thymochinon (Di-Thymochinon) und Thymochinon (1). Weiterhin soll im ätherischen Öl Nigellin (24) enthalten sein. Nigellin wird als Bitterstoff (17) oder als Alkaloid (25) bezeichnet, das in Spuren neben weiteren Alkaloiden wie Nigellimin-N-oxid, Nigellicin und Nigellidin vorkommen soll (3a, 3b); einige Autoren bezweifeln, dass Nigellin in der Droge nachgewiesen werden kann (25) oder halten Nigellin für identisch mit Nigellon.

Sicher enthalten sind dagegen Gerbstoffe und Saponine, zum Beispiel Melanthin, das bis zu 1,5 Prozent im Samen vorkommt. Weiterhin werden Hederagenin, Hederidin, Kalosapogenin und Melanthigenin genannt (4, 16).

Wirksamkeit fast nur in vitro getestet

Die meisten Untersuchungen des Schwarzkümmels wurden in vitro oder tierexperimentell ausgeführt. Sie weisen einzelne Wirkungen auf isolierte Zellenpopulationen, Bakterien-, Pilz-, Virenstämme oder an Versuchstieren nach. Moderne kontrollierte klinische Studien fehlen weitgehend. Es liegen lediglich Erfahrungsberichte und Beobachtungsstudien vor.

Ungesättigte Fettsäuren sind wichtige, zum Teil essentielle Nährstoffe für den Menschen. Wissenschaftler untersuchen seit den dreißiger Jahren die Wirkung von ungesättigten Fettsäuren, besonders der Gamma-Linolensäure, bei verschiedenen Erkrankungen wie Allergien und Rheuma. Auch bei der atopischen Dermatitis wird diskutiert, ob für die Entstehung ein gestörter Fettsäuremetabolismus mitverantwortlich sein kann. Möglicherweise besteht beim Atopiker ein Mangel an Gamma-Linolensäure aufgrund eines Enzymdefektes der Delta-6-Desaturase, die aus Linolsäure die Gamma-Linolensäure bildet.

Gamma-Linolsäure dient als Vorstufe der Prostaglandine E1 und E2, die antiallergisch und bronchialerweiternd wirken. Durch Zufuhr von Gamma-Linolensäure soll die Bildung der Prostaglandine im Körper wieder anlaufen und eine allergische Reaktion gebremst werden. Für die Substitutionstherapie bei Patienten mit atopischer Dermatitis liegen eine Reihe klinischer Angaben sowie einige klinische Studien vor. Ein Teil der Patienten sprach auf die mehrwöchige Behandlung an; die positiven Befunde ließen sich allerdings nicht in allen Untersuchungen bestätigen. Insgesamt sind die Veröffentlichungen über den Einsatz von Gamma-Linolensäure beim atopischen Ekzem kontrovers (6, 20, 29).

Derzeit ist nur das Nachtkerzenöl nach Arzneimittelgesetz für die Indikation Neurodermitis zugelassen. Weder Borretschsamenöl noch das Kernöl der schwarzen Johannisbeere noch Schwarzkümmelöl sind für diese oder andere Indikationen zugelassen. Dabei sollte der Apotheker den Gehalt an Gamma-Linolensäure der Öle beachten. Schwarzkümmel ist im Vergleich zu den anderen Ölen arm daran. Über den Einsatz von Gamma-Linolensäure beim Asthma bronchiale existieren keine aktuellen Studien, die nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt wurden (6).

Das Thymochinon aus dem ätherischen Öl soll Untersuchungen von 1965 zufolge einer der aktiven Inhaltsstoffe sein: Es wirkte choleretisch, erhöhte die Harnsäureausscheidung und schützte im Tierversuch beim Meerschweinchen vor histamininduzierten Bronchialspasmen (13). Nigellon soll die gleichen pharmakologischen Eigenschaften wie Thymochinon besitzen, aber bei weitem nicht dessen Toxizität. Das nahmen 1993 dänische Wissenschaftler zum Anlass, die Wirkung von Nigellon auf die Histaminfreisetzung aus Ratten-Mastzellen in vitro zu untersuchen. Nigellon konnte diese Histaminfreisetzung konzentrationsabhängig hemmen (11).

Zwei Untersuchungen sollen eine mögliche Wirkung des Öls auf entzündlich-rheumatische Erkrankungen klären (18). Im ersten Versuch wurden Ratten-Leukozyten isoliert und mit extrahiertem Thymochinon oder fettem nichtflüchtigen Öl mit darin enthaltenem Thymochinon behandelt. Danach reizte man die Zellen chemisch, Prostaglandine, Thromboxane und Leukotriene zu bilden. Je nach Dosis der zugegebenen Substanz drosselten die Leukozyten die Bildung dieser Eikosanoide, das heißt, der Cyclooxygenase- und der 5-Lipoxygenase-Weg im Arachidonsäurestoffwechsel konnten experimentell gehemmt werden.

Zur Erinnerung: Die Cyclooxygenase fördert die Entstehung von Prostaglandinen, die an entzündlichen Prozessen beteiligt sind, die Lipoxygenase steigert die Bildung von Peroxiden, die beim Abbau zu Leukotrienen Sauerstoffradikale freisetzen und so zu entzündlichen Reaktionen beitragen. Im zweiten Versuch schützten Thymochinon und fettes Öl cerebrale Liposomphospholipide, die aus Rinderhirn isoliert wurden, vor einer nicht enzymatischen Peroxidation. Weitere In-vitro-Tests, zum Beispiel der Desoxyribose-Test, konnten diese antioxidativen Eigenschaften von isoliertem ätherischen Öl und des darin enthaltenen Thymochinons bestätigen (8).

Die antimikrobielle Wirkung von fettem und ätherischem Öl wurde mit der Agar-Plattendiffusionsmethode untersucht. Das Pressöl war wirksam gegen einige grampositive und gramnegative Bakterienkulturen sowie gegen Pilze (Candida, Aspergillus); ätherisches Öl war nur schwach wirksam gegen einige Bakterienstämme (21).

Mittels verschiedener Labortestverfahren wurde die Aktivität des Schwarzkümmels auf isolierte Knochenmark- und Tumorzellen untersucht. In einem Versuch hemmte der Nigella-sativa-Extrakt das Wachstum isolierter Tumorzellen. Bei einem weiteren In-vitro-Versuch konnten Knochenmarkzellen durch den Extrakt stimuliert werden. Ließe sich dieser Effekt auch in vivo erreichen, könnte sich dadurch möglicherweise die Immunsituation des Krebskranken verbessern (31).

In der arabischen Volksmedizin werden die Samen alleine oder kombiniert mit Honig oder Knoblauch bei Bluthochdruck angewendet. Wissenschaftler aus Saudi-Arabien spritzten das ätherische Öl sowie reines Thymochinon in die Venen anästhesierter Ratten; daraufhin sanken dosisabhängig Blutdruck und Puls (14).

Die postulierten Wirkungen müssen zuerst durch klinische Studien erhärtet werden, bevor eine der genannten Erkrankungen mit Schwarzkümmelpräparaten behandelt werden sollte. Zur Zeit kann aufgrund der vorhandenen Datenlage bei keiner Indikation Schwarzkümmel statt eines Arzneimittels empfohlen werden.

Schwarzkümmel nur zur Nahrungsergänzung

Schwarzkümmelpräparate sind in Deutschland vom rechtlichen Status her Nahrungsergänzungsmittel. Für den Laien ist der Unterschied zwischen einem Nahrungsergänzungsmittel und einem echten Arzneimittel allerdings oft nicht nachzuvollziehen. Apotheker sollten deshalb die Verbraucher gründlich aufklären.

Homöopathen wenden heute nur noch selten aufgrund persönlicher Erfahrungen Nigella-Zubereitungen an, da auch Wirkungen im Sinne der Homöopathie nicht belegt sind und kein Arzneimittelbild beschrieben ist. Im Homöopathischen Arzneibuch von 1934 war noch die Herstellung der Urtinkturen aus Nigella sativa und Nigella damascena erklärt. Weder im aktuellen HAB I von 1991 noch in den Aufbereitungsmonographien der Kommission D tauchen Nigella-Zubereitungen auf (16, 17).

Einige Kosmetikhersteller arbeiten das Schwarzkümmelöl in Produkte zur Hautpflege ein. In der Veterinärmedizin scheinen einige naturheilkundlich ausgebildete Ärzte Nigella-sativa-Samen anzuwenden (17). Für Pferde, Hunde, Hühner und Kühe existieren Dosierungsangaben; meistens wird der Samen unter das Futter gemischt.

Fazit: Schwarzkümmelsamen enthält ein hochwertiges pflanzliches Öl, das reich an ungesättigten Fettsäuren ist. Schwarzkümmelöl und -präparate dürfen derzeit in der Apotheke nur zur Ergänzung der Ernährung empfohlen werden. Weiterhin lassen sich Samen und Öl als Gewürze beim Kochen und Backen einsetzen.

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