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Festbeträge sind seit Jahren umstritten

12.03.2001  00:00 Uhr

HINTERGRUND

Festbeträge sind seit Jahren umstritten

von Daniel Rücker, Eschborn

Die Festbeträge für Arzneimittel sind ein Kind der christlich-liberalen Koalition. Seit dem Gesundheitsreformgesetz von 1989 sollen sie dazu beitragen, die Preise für Medikamente zu begrenzen. Der damalige Bundesgesundheitsminister Norbert Blüm (CDU) reagierte damit auf die aus seiner Sicht zu stark gestiegenen Arzneimittelausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Heute machen Arzneimittel unter Festbetrag 65 Prozent der Verschreibungen und 47 Prozent des Umsatzes vom gesamten GKV-Markt aus.

Festbeträge stellen den maximalen Preis dar, den die GKV für eine Gruppe von Arzneimitteln mit gleichem Wirkstoff oder gleicher Wirkung bezahlt. Verkauft ein pharmazeutischer Hersteller seine Produkte zu einem höheren Preis, muss der Patient die Differenz zwischen Festbetrag und tatsächlichem Preis selbst bezahlen. Festbeträge sind damit im engeren Sinn keine Preisfestsetzungen. Faktisch bedeutet der Festbetrag jedoch den Höchstpreis für ein Arzneimittel der entsprechenden Gruppe. Nur sehr wenige Hersteller wagen es, den Preis eines Produktes oberhalb des Festbetrages festzusetzen.

Eine wichtige Änderung im Festbetragssystem erfolgte zum 1. Januar 1996. Damals wurden auf Wunsch der forschenden Industrie patentgeschützte Arzneimittel aus der Festbetragsregelung herausgenommen. Diese Änderung sollte es der Industrie erleichtern, die hohen Forschungsaufwendungen während der Patentlaufzeit wieder einzuspielen.

Das Verfahren zur Festsetzung der Festbeträge besteht bislang aus zwei Schritten. Im ersten beschließt der Bundesausschuss Ärzte und Krankenkassen für welche Arzneimittelgruppen Festbeträge festgesetzt werden. Dabei gibt es drei Arten von Festbetragsgruppen: In der Gruppe 1 werden Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen zusammengefasst, in Gruppe 2 Arzneimittel mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbarer Wirkung und in Gruppe 3 mit therapeutisch vergleichbarer Wirkung. Für die Vergleichbarkeit von Arzneimitteln der Gruppen 2 und 3 werden dann geeignete Größen, wie die Tagesdosis, ermittelt. Bei der Bestimmung der Vergleichsgrößen werden die Sachverständigen der medizinischen Wissenschaft und Praxis sowie die Arzneimittelhersteller angehört.

Im zweiten Schritt setzen die Spitzenverbände der Krankenkassen auf der Grundlage dieser Vergleichsgrößen durch Allgemeinverfügung nach §31 SGB V die Festbeträge fest. Dazu sind wiederum Sachverständige anzuhören. Nach § 35 SGB V muss die Festsetzung eine ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Versorgung gewährleisten. Außerdem müssen die Festbeträge Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpfen und einen Preiswettbewerb auslösen ohne die Arzneimittelauswahl zu gefährden. Seit dem Jahr 2000 müssen die Festbeträge am oberen Ende des unteren Drittels des entsprechenden Preissegments liegen. Sie sollen einmal im Jahr angepasst werden.

Die Kritik der Leistungserbringer an dem Verfahren bezieht sich vor allem auf die mangelnde Transparenz bei der Gruppenbildung und der Preisfestsetzung. Die Möglichkeiten, darauf Einfluss zu nehmen, sind zumindest für Industrie und Apotheker begrenzt. Zudem würden Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel nicht in die Entscheidung der Spitzenverbände einbezogen.

Deshalb klagten Pharmaunternehmen immer wieder gegen Festbeträge. Sie warfen den Krankenkassen vor, mit der Festsetzung der Festbeträge gegen europäisches Kartellrecht zu verstoßen. Das Landgericht Düsseldorf teilte diese Auffassung und gab am 6. Januar 1999 der Klage eines pharmazeutischen Unternehmens statt. Per Einstweiliger Verfügung untersagte das Gericht den Spitzenverbänden der Krankenkassen die Aufrechterhaltung der Festbeträge für morphinhaltige Arzneimittel.

Die Bundesregierung reagierte auf diese Entscheidung im Sommer 1999 mit einem Entwurf zum so genannten Festbetragsneuordnungsgesetz (FNG). Damit sollte ein rechtssicheres Verfahren etabliert werden. Zukünftig sollten die Festbeträge von einer neu zu errichtenden Bundesoberbehörde in Köln erlassen werden. Es blieb allerdings bei dem Entwurf, denn bis heute trat das FNG nicht in Kraft. Die damalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer wollte bis zur Entscheidung des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts abwarten. Diese steht noch aus.

Der bislang letzte Schlag gegen die Festbetragsregelung erfolgte Ende Januar 2001. In einem Schreiben an die GKV-Spitzenverbände meldete das Bundeskartellamt Bedenken gegen das Verfahren an. Nach Ansicht des Kartellamtes sind die Spitzenverbände der Kassen in wettbewerbsrechtlichem Sinn Unternehmensvereinigungen. Diesen wird nach dem EU-Vertrag die mittelbare Fixierung von Preisen und die kollektive Einflussnahme auf die Preisbildungsfreiheit der Hersteller untersagt. Die Krankenkassen verzichteten daraufhin auf die geplante Absenkung von Festbeträgen zum 1. April, forderten aber gleichzeitig die Bundesregierung auf, das Verfahren bis zum 12. März neu zu regeln. Top

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