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Klinikärzte wehren sich

08.08.2005  00:00 Uhr
Proteste

Klinikärzte wehren sich

von Thomas Bellartz, Berlin

Die größten Ärzteproteste seit Jahrzehnten waren am vergangenen Freitag in Berlin nicht zu übersehen und nicht zu überhören: Ärzte kreuzten auf zwei Ausflugsdampfern auf der Spree, während die Kolleginnen und Kollegen an den Ufern im Regierungsviertel für Stimmung sorgten. Die Aktion war der Abschluss einer bundesweiten Protestwoche.

Frank-Ulrich Montgomery hatte am vergangenen Freitag in Berlin leichtes Spiel. Der Vorsitzende der Klinikärzte-Gewerkschaft Marburger Bund hätte erzählen können, was er wollte. Seine Zuhörerinnen und Zuhörer fanden es klasse. Endlich wehrten sie sich gegen die aus ihrer Sicht »katastrophalen Arbeitsbedingungen und miserable Vergütung«. Eine Woche lang hatten sich die Ärztinnen und Ärzte aus Kliniken und Krankenhäusern bundesweit Gehör verschafft. Mehr als 10 000 waren zeitweise im Ausstand gewesen, hatten demonstrativ auf der Straße »operiert«. Die Proteste waren die größten seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Wegen der Warnstreiks gab es in einigen Kliniken Notdienste.

2500 Ärzte aus ganz Deutschland

Die Veranstaltung in Berlin, die fünf Minuten vor zwölf startete, war der Höhepunkt einer Protestwelle, die für viel Aufmerksamkeit sorgte. Und noch wichtiger: Die Demos brachten dem Klinikpersonal viel öffentliche Sympathie ein; Politik und Bevölkerung reagierten positiv. Mit einer Ausnahme: Professor Dr. Karl Lauterbach fand die Proteste unangemessen, während sein Kollege Professor Dr. Jürgen Wasem wiederum Verständnis für die Demos der Ärzte zeigte.

Rund 2500 Ärzte aus ganz Deutschland waren zum Höhepunkt der Proteste nach Berlin gereist. Sie warnten vor »englischen Verhältnissen« und machten mit Trillerpfeifen und Sprechchören ihrem Unmut Luft. Die beiden gecharterten Schiffe pendelten auf der Spree durch die politische Mitte Berlins und ließen sich insbesondere beim Passieren des Kanzleramts viel Zeit. Der Hausherr ließ sich nicht blicken.

Montgomery hatte die Kolleginnen und Kollegen seit Tagen bei den Protesten in Berlin, aber auch in Baden-Württemberg, Hessen und Bayern aufgeputscht: »Wir arbeiten gern, aber nicht umsonst.« Die Verlängerung der Arbeitszeit habe Fass zum Überlaufen gebracht, sagte Montgomery. Die Realität seien 80 Stunden Arbeit pro Woche.

Zwischen den Reden der Funktionäre machten die Demonstranten mit gellenden Pfeifkonzerten auf sich aufmerksam. Viele von ihnen waren von der Berliner Uniklinik Charité zur Demo gekommen ­ natürlich in Kitteln und bewaffnet mit allerlei kreativen Slogans. So warnten sie vor einer Ärzteflucht aus Deutschland und wegen zu langer Arbeitszeiten vor zitternden Chirurgenhänden. Man wolle nicht länger für einen Hungerlohn arbeiten, sagte Montgomery und verwies darauf, dass in Dänemark, Großbritannien, in den Niederlanden und in Schweden den Ärzten das Doppelte gezahlt werde.

Verhandlungen gescheitert

Die Tarifverhandlungen zwischen den Bundesländern und der Ärztevertretern sind bislang gescheitert und einen Termin für die Wiederaufnahme der Verhandlungen gibt es dem Vernehmen nach nicht. Allerdings wird sich Montgomery nicht über die vermeintliche Unterstützung von der Gewerkschaft ver.di freuen. Dort wies man das Angebot der Länder für neue Gespräche zur Arbeitszeit von Ärzten zurück. »Wir treten nach wie vor ein für den Abschluss und die Übernahme des im Februar vereinbarten Tarifrechts für den öffentlichen Dienst«, sagte ver.di-Sprecher Jan Jurczyk. Es dürfe nicht nur um Ärzte gehen.

Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, Hartmut Möllring (CDU), signalisierte Verhandlungsbereitschaft. Es gehe um die Eingruppierung der Ärzte in den öffentlichen Dienst. Zudem brauche man Öffnungsklauseln für Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld, »weil wir da inzwischen völlig unterschiedliche Regelungen im öffentlichen Dienst in den Ländern haben«, sagte der niedersächsische Finanzminister.

Auch Montgomery sagte: »Wir wollen verhandeln.« Zugleich kündigte er weitere Proteste an, wenn es zu keiner Lösung kommen sollte. Möllring betonte, dass sich Montgomery zunächst mit ver.di einigen müsse, weil der Marburger Bund sein Verhandlungsmandat auf ver.di übertragen habe. Der Ärzteverband lehnte es trotz der Schwierigkeiten aber erneut ab, das bei diesen Tarifgesprächen zu ändern.

Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft nützen hessischen Ärzten wenig. Ihr Land ist aus dem Verbund ausgetreten. »Das Land hat es aber abgelehnt, mit uns eigene Tarifverhandlungen zu führen«, sagte ein Sprecher des Marburger Bundes. Zuletzt habe es im Mai ein »Erörterungsgespräch« gegeben, ein für Juli geplantes weiteres Treffen habe das Land abgesagt. Der Marburger Bund fordert eine Rückkehr Hessens in die Tarifgemeinschaft. Top

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