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DNA-Schleifen als Zielstrukturen in der Krebsforschung

21.10.2002  00:00 Uhr

DPhG-Jahrestagung

DNA-Schleifen als Zielstrukturen in der Krebsforschung

Forscher haben spezifische Sekundärstrukturen im Erbgut entdeckt, die bei der Regulation von Krebsgenen eine Rolle spielen. Mit kleinen Molekülen wollen sie jetzt diese Strukturen stabilisieren, um Onkogene damit auszuschalten. Die Zellen wären dann nicht mehr in der Lage, sich unentwegt zu teilen.

Seit Jahren suchen Forscher nach spezifischen molekularen Zielstrukturen für die Krebstherapie. Die DNA haben zwar auch die klassischen Zytostatika im Visier, aber ihre Wirkung ist unspezifisch und dadurch mit schweren Nebenwirkungen verbunden. Aktuelle Forschungsansätze zielen auf bestimmte Sequenzabschnitte, wie sie zum Beispiel nur in den regulatorischen Regionen von Zellteilungsgenen vorkommen, erklärte Professor Dr. Laurence Hurley, Universität von Arizona, College of Pharmacy, Tuscon, USA. Diese DNA-Sequenzen modulieren die Aktivität von Genen und können damit die Zellteilungsrate beeinflussen.

Um spezifische DNA-Sequenzen anzupeilen, nutzen Wissenschaftler in der Natur vorhandene Mechanismen. Sie verwenden zum Beispiel Proteine mit so genannten Zink-Fingern, die auch in gesunden Zellen DNA-Sequenzen erkennen und daran binden. Je nachdem wie die Forscher ähnliche Eiweiße konstruieren, sind diese hoch spezifisch für eine bestimmte Sequenz. Eine andere Möglichkeit ist es, einen Strang DNA zu synthetisieren, der komplementär zur Zielsequenz ist. Dieser lagert sich dann zwischen die beiden im Kern vorhandenen DNA-Stränge ein, und in der Folge kann das Gen nicht mehr abgelesen werden. Auch Polyamide lassen sich so konstruieren, dass sie die Abfolge von 9 bis 13 Basenpaaren erkennen, sich hoch spezifisch an die DNA anlagern und ein bestimmtes Gen ausschalten, erklärte Hurley.

Alle drei Wirkstoffgruppen funktionieren zwar in biologischen Systemen, aber die Moleküle sind groß und empfindlich gegenüber Abbau. So gelangen die Stoffe nur zu einem verschwindend kleinen Teil in die Zelle, und noch weniger Moleküle dringen bis in den Zellkern vor, ihrem eigentlichen Wirkort.

Hurley und sein Team suchen wie andere Forschergruppen daher nach kleinen Molekülen, die spezifisch bestimmte Gene beeinflussen. Dies gestaltet sich schwierig, denn damit lässt sich die Sequenzspezifität nur schwer umsetzen. Zu Hilfe kommen den Forschern neue Untersuchungsergebnisse: DNA-Stränge bilden abhängig von der Basensequenz neben der bekannten Doppelhelix andere Sekundärstrukturen. Beobachtet wurden diese Sekundärstrukturen bereits vor 40 Jahren, sagte Hurley. Heute kennen die Wissenschaftler aber auch die Funktion von einigen dieser DNA-Schleifen.

Ein Beispiel für solche Sekundärstrukturen ist die G-Quadruplex-DNA. Typisch für Sequenzen, die eine solche Struktur ausbilden, sind Wiederholungen von drei bis vier aufeinander folgenden Guaninresten, die durch andere Basen voneinander getrennt sind. Die Guaninreste interagieren über Wasserstoffbrückenbindungen miteinander und bilden flächige Strukturen zwischen dem Zucker-Phosphat-Rückgrat der DNA aus. In diese Strukturen können Kationen, zum Beispiel Kaliumionen, eingelagert werden. Die auf dem DNA-Strang zwischen Guaninresten liegenden Basen bilden schleifenartige Strukturen.

Ursprünglich wählten Wissenschaftler die Quadruplex-DNA vor allem deshalb als Zielstruktur für neue innovative Krebsmedikamente, weil sie solche Sekundärstrukturen in Telomeren, den Chromosomenenden fanden. In normalen Körperzellen verkürzen sich die Chromosomen mit jeder Zellteilung, so dass nur eine begrenzte Zahl von Zellteilungen überhaupt möglich ist, weil ansonsten wichtige Informationen auf den Chromosomen verloren gehen und die Zelle stirbt.

Krebszellen entgehen diesem Schicksal und teilen sich unentwegt, weil in vielen Tumorzellen die Telomerase aktiv ist. Das Enzym sorgt für den Erhalt der Chromosomen-Enden, kann diese jedoch nur dann verlängern, wenn sie keine Quadruplex-Strukturen bilden. Stabilisiert man die Quadruplex-Strukturen in den Telomeren, kann die Telomerase die Chromosomen-Enden nicht erhalten. Damit wäre auch die Zahl der Zellteilungen wieder begrenzt, und die Tumorzellen würden irgendwann zu Grunde gehen.

Hurleys Team testete daher die Wirkung kleiner Moleküle, die die Quadruplex-DNA in den Telomeren stabilisieren. Überraschenderweise beobachteten sie, dass diese Moleküle nicht nur Auswirkungen auf die Telomerase hatten, sondern auch die Aktivität von Onkogenen beeinflussten. Die Wissenschaftler entdeckten daraufhin in den Regulationsbereichen von Onkogenen Sequenzen, die theoretisch Quadruplex-Strukturen bilden können, zum Beispiel im Promotorbereich von c-myc - ein in vielen Tumoren aktives Onkogen.

In molekularbiologischen Experimenten fanden die amerikanischen Wissenschaftler heraus, dass die Guanin-reiche Region in den Regulationssequenzen tatsächlich eine Quadruplex-Sekundärstruktur bildet. Veränderten sie die dafür verantwortliche Sequenz im Experiment, so stieg die Aktivität von c-myc um das Dreifache. Die Quadruplex-DNA wirkt somit als Silencer: Sie sorgt dafür, dass das Onkogen nicht abgelesen wird und hemmt dadurch letztlich die Zellteilung.

Hurley und sein Team versuchen jetzt, mit kleinen Molekülen die Quadruplex-Struktur in Onkogenen zu stabilisieren. Im ersten Schritt verwenden sie dafür Porphyrine, die in die DNA interkalieren. In Tumortiermodellen konnten sie damit das Wachstum der Geschwulste verlangsamen. Hoffnungsvoll stimmt allerdings eher ein anderer Befund: Wissenschaftler haben die Sequenzen für Quadruplex-DNA in vielen anderen an der Zellteilung beteiligten Genen und den Genen für Wachstumsfaktoren gefunden. Ihre Idee, die entsprechenden Sekundärstrukturen mit kleinen Molekülen, die pharmazeutisch leichter handhabbar sind, zu stabilisieren, könnte in Zukunft Schule machen und tatsächlich einen großen Schritt hin zu spezifischen Tumortherapeutika bedeuten.

 

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