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Ernährung

Was Sportler beachten sollten

25.06.2014  09:37 Uhr

Von Hannelore Gießen, München / Wer Sport treibt, braucht mehr. Doch wovon? Mehr Kohlenhydrate, mehr Eiweiß, mehr Vitamine oder mehr Mineralien? Wie sich Sportler optimal ernähren und trinken, stand im Fokus eines Seminars des Kompetenzzentrums für Ernährung in München.

Fast die Hälfte aller Leistungseinbrüche im Sport sind auf Ernährungsfehler zurückzuführen: zu wenig Flüssigkeit, falsche Kohlenhydrate zur falschen Zeit, zu viel Eiweiß. Besonders im Ausdauersport kommt es auf die richtigen Bausteine und das richtige Timing an. Wie lange ein Sportler seine Leistung aufrechterhält, hängt von der Ermüdung seines Körpers ab. Dabei trete die zen­trale Ermüdung früher auf als die periphere, berichtete Dr. Silja Schwarz von der Technischen Universität (TU) München. Ermatte das Gehirn, lassen Konzentration und Motivation nach, noch bevor die Muskeln langsamer und schwächer reagieren.

Schon ein leichter Flüssigkeitsmangel von 1 Prozent führt zu kognitiver Einschränkung, bei einem Verlust von 2 Prozent sinkt auch die physische Leistung. Durst empfinden die meisten Menschen jedoch erst bei einem Flüssigkeitsverlust von 1 bis 3 Prozent. Verliert der Körper mehr als 3 Prozent Wasser, schützt sich der Körper, indem er weniger Urin und Schweiß absondert. Das seien jedoch deutliche Warnsignale, mahnte die Internistin. Der Urin sollte möglichst hellgelb sein.

 

Während sportlicher Belastung sollten 800 bis 1000 ml Flüssigkeit pro Stunde getrunken werden, am besten alle 15 bis 20 Minuten in kleinen Mengen, sodass möglichst kein Durst aufkommt. Bei kurzer Belastung bis zu einer Stunde genügt Wasser, bei längerer Belastung von mehr als einer Stunde sind isotonische Getränke ideal.

 

Kohlenhydratspeicher füllen

 

Sowohl im Ausdauersport als auch bei allen Spielsportarten sind Kohlenhy­drate die wichtigsten Energieträger. Wie schnell ein Sportler läuft, wie agil er sich auch noch in einer Spielverlängerung bewegt, hängt davon ab, wie rasch und wie lange Kohlenhydrate verfügbar sind. In den drei bis sieben Tagen vor einem Wettkampf oder auch einer großen Radtour sollten die Glykogenreserven gefüllt werden. So könne am schnellsten und effektivsten Energie gewonnen werden, erklärte Dr. Claudia Osterkamp-Baehrens. Spieler mit hohem Glykogengehalt im Muskel hielten deutlich länger durch, berichtete die Ernährungswissenschaftlerin vom Olympiastützpunkt Bayern. Ein solches Carboloading vor und ein schnelles Reloading nach dem Sport müsse jedoch trainiert werden, da sich die Speicherkapazität der Muskeln an die Kohlenhydratmenge anpasse. Für Spielpausen empfahl die Ernährungsexpertin eine Banane oder Fruchtpürees als rasch verfügbare Kohlenhydratquelle.

 

Bei längerer Belastung profitieren Sportler von einer Mundspülung, die 6 bis 10 Prozent Maltodextrin enthält. Sie wirkt über orale Glucoserezeptoren im Mund, die unabhängig von den Süß-Rezeptoren auf Kohlenhydrate reagieren und aktivierende Signale an das Gehirn senden.

 

Bis zu einer Stunde vor dem Sport kann auch der stimulierende Effekt von Coffein genutzt werden. Bereits 3 mg pro kg Körpergewicht verbessern die Leistungsfähigkeit. Das entspricht etwa einer Tasse Kaffee. Vermutlich wirkt Coffein als Antagonist von Adenosin, sodass die Dopaminkonzentration im Gehirn zunimmt. Die maximale Konzentration tritt nach 30 bis 90 Minuten auf, die Halbwertszeit liegt bei fünf Stunden.

 

Nach einer Belastung kommt es darauf an, eine rasche Erholung zu unterstützen. Optimal ist ein Kohlenhydrat-Protein-Snack, beispielsweise Kakao oder Frucht-Trinkjoghurt, in den ersten ein bis zwei Stunden nach einer Belastung. So kann die maximale Speicherkapa­zität für Glykogen genutzt und die Proteinbiosynthese der Muskeln optimiert werden.

 

Drei bis vier Tage nach einer großen sportlichen Belastung sind Sportler besonders infektanfällig, ein Effekt, der als Open-window-Phänomen bezeichnet wird und an erhöhten Entzündungsparametern abzulesen ist. In dieser Regenerationsphase schützen Polyphenole, wie sie Kakao oder Bier enthalten, vor oxidativem Stress. Die Inflammationsparameter würden unter einer hohen Polyphenolaufnahme deutlich schneller abfallen, berichtete Sportmediziner Dr. Johannes Scherr von der TU München. Auch die myokardiale Regeneration erfolge schneller. Allerdings behindere Alkohol die Proteinsynthese und wirke dehydrierend, sodass bei Bier die alkoholfreie Variante bevorzugt werden sollte.

 

Muskeln bestehen vor allem aus Eiweiß. Meist wird deshalb der Bedarf an Proteinen überschätzt. Für eine optimale Eiweißversorgung kommt es vor allem auf Vielfalt an. Da kein Nahrungsmittel alle notwendigen Aminosäuren im optimalen Verhältnis enthält, erreicht man den besten Effekt durch eine Kombination von Fleisch mit Hülsenfrüchten, Milch- und Getreideprodukten. Eine zusätzliche Anwendung der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin oder von Tysosin hat in Studien keine Verbesserung der Leistungsfähigkeit gezeigt.

Selbst für den Aufbau von Muskeln genügt die übliche Eiweißzufuhr, die in Deutschland bei mehr als 1,2 g pro kg Körpergewicht liegt. Bei Langzeit-Ausdauerdisziplinen steigt der Bedarf auf etwa 1,6 g pro kg Körpergewicht an, da dann auch Aminosäuren für die Energiegewinnung herangezogen werden.

 

20 bis 50 Prozent der Ausdauersportler berichten über gastrointestinale Beschwerden während oder nach dem Sport, sagte Dr. Christoph Thoeringer von der TU München. Schuld sei fast nie eine hereditäre oder erworbene Lactose- oder Fructoseintoleranz, sondern meist eine zu starke Belastung mit Fructose, die in vielen Fertigdrinks sowie natürlichen Fruchtsäften enthalten ist. Häufig stimme einfach die Konzentration nicht, erklärte der Gastro­enterologe: »Je hypertoner ein Getränk ist, desto eher treten gastrointestinale Beschwerden auf«.

 

Der Darm wird bei intensiver Aktivität schlechter durchblutet, sodass Kohlenhydrate unvollständig aufgenommen werden. Bakterien bauen die überschüssigen Kohlenhydrate ab, Bauchschmerzen, Völlegefühl und Flatulenz sind die Folge.

 

50 bis 90 Prozent aller Leistungssportler nehmen Nahrungsergänzungsmittel ein, berichtete Professor Dr. Anja Carlsohn von der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Vitaminverluste über den Schweiß seien vernachlässigbar. Ob eine zusätzliche Gabe über den essenziellen Bedarf hinaus die Leistung steigere, sei bisher nicht bestätigt. Allerdings könne eine Supplementierung mit den Vitaminen C und E nach intensivem Sport die Infektanfälligkeit vermindern, so Carlsohn. Ein deutliches Defizit trete nur bei Natrium auf, wobei es interindividuelle Unterschiede um den Faktor 10 gebe, so die Ernährungswissenschaftlerin hervor. Zwar gehen beim Schwitzen auch Magnesium-, Zink- und Eisensalze verloren, ein sportbedingter Mehrbedarf ließe sich jedoch nicht quantifizieren.

 

Spaß und Genuss

 

Bei sportlichen Wettkämpfen entscheide die mentale Überlegenheit und dabei spiele die Ernährung eine erhebliche Rolle, unterstrich Sternekoch Bernhard Reiser, Betreuer der Damen-Fußballnationalmannschaft der Weltmeisterschaft 2011 und Europameisterschaft 2013. Eine Leistungssteigerung werde nur über eine individuell abgestimmte Ernährung erreicht. Mit Powerballs aus Trockenfrüchten und Nüssen sowie frischen Smoothies aus grünen und roten Gemüsesorten, kombiniert mit Früchten, könne die Lust an gesunder Ernährung geweckt werden, erläuterte der Gourmetkoch. Die Frauen haben zwei große Titel in den vergangenen Jahren gewonnen. Zu hoffen ist, dass auch die Herren-Nationalmannschaft ehrnährungstechnisch in Brasilien derzeit ähnlich gut versorgt wird. Der Betreuer der Mannschaft, Sternekoch Holger Stromberg, setzt dabei stark auf Pasta, wie er kürzlich der Zeitung »Die Welt« berichtete. Diese gibt es an einem Spieltag gleich zweimal: drei Stunden vor dem Spiel und direkt danach in der Umkleidekabine gekochte Spaghetti. /

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