Impfpass-Check als neue Dienstleistung möglich |
Jennifer Evans |
02.02.2023 11:00 Uhr |
Der Impfpass-Check erweist sich als sinnvolle Ergänzung des Impfangebots in Apotheken. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuelles Pilotprojekt. / Foto: Adobe Stock/www.choroba.de
Versicherte haben seit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) die Möglichkeit, pharmazeutische Dienstleistungen in der Apotheke zu erhalten. Fünf Services sind bereits als solche definiert, sprich die Offizinen bekommen die Leistungen von den Kassen honoriert. Eine weitere solche Dienstleistung könnte künftig der Impfpass-Check samt Beratung sein. Davon ist jedenfalls das Beratungs- und Forschungsunternehmen May und Bauer überzeugt.
Im Rahmen eines bundesweiten Pilotprojekts ist das Unternehmen der Frage nachgegangen, wie sich ein solches Versorgungsangebot konkret im Apothekenalltag umsetzen lässt und wie der Impfpass-Check dazu beitragen kann, Impflücken speziell bei immunsupprimierten Patienten zu verringern. Das Resümee des Autorenteams, das aus den Gründern Professor Uwe May und Cosima Bauer sowie der Projektleiterin Anissa Schneider-Ziebe besteht, ist eindeutig: Der Service ist sinnvoll. Nicht nur, um das Impfangebot in den Vor-Ort-Apotheken zu erweitern, sondern auch um die Zusammenarbeit zwischen Apotheken und Arztpraxen zu verbessern.
Immunsupprimierte Patientinnen und Patienten haben generell ein deutlich höheres Risiko, eine Infektionserkrankung mit schweren Verlauf zu bekommen. Dazu zählen beispielweise Menschen, die an rheumatischen Erkrankungen, Krebserkrankungen oder Niereninsuffizienz leiden und entsprechende Arzneimittel einnehmen müssen. Das Problem dieser Gruppe liegt nach Angaben von May und Bauer darin, dass die Impfraten besonders bei den Immunsupprimierten deutlich unter den empfohlenen Werten der Ständigen Impfkommission (STIKO) beziehungsweise der World Health Organization (WHO) liegen. Folglich bestehen für diese vulnerable Gruppe oft erhebliche Impflücken.
Wie Apotheken dazu beitragen können, diese Impflücken zu schließen, war ein Ziel des Projekts, das die Pharmafirma Pfizer förderte. Dazu sollten die teilnehmenden Apotheken zunächst die immunsupprimierte Person anhand ihrer Medikationshistorie oder eines aktuellen Rezepts identifizieren. Im Anschluss machte das Apothekenteam sie dann auf den Anspruch sowie den Nutzen verschiedener Schutzimpfungen aufmerksam und bot zugleich den Impfpass-Check an. Im Falle einer ausstehenden Grippeschutzimpfung beziehungsweise einer Covid-19-Impfung wiesen die Apotheken parallel auf ihr eigenes Angebot hin. Welche Erfahrungen das pharmazeutische Personal bei der Umsetzung des Impass-Checks im Alltag machte, ermittelte das Unternehmen Ende 2022 auf Basis einer Umfrage, an der 911 Personen teilnahmen.
Überzeugt waren demnach gut 70 Prozent der Befragten, dass die Beratung in der Apotheke aktiv zur Steigerung der Impfquoten beitragen kann. »Ein ausschlaggebender Grund hierfür könnte sein, dass mit rund 90 Prozent nahezu alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer angaben, dass es ihnen gelungen sei, die Patientinnen und Patienten verständlich zu beraten«, so May. Knapp 90 Prozent hatten nach eigenen Angaben außerdem Erfolg dabei, Betroffene zu überzeugen, sich angesichts ihrer Impflücken an Haus- oder Fachärzte zu wenden.
Am positiven Feedback der Patienten besteht kein Zweifel. Fast 92 Prozent des pharmazeutischen Personals war der Meinung, die Kunden hätten den Impfpass-Check als hilfreich empfunden. Demnach konnten knapp 40 Prozent der teilnehmenden Apotheken mindestens zehn Patientinnen oder Patienten ansprechen, die für einen Impfpass-Check infrage kamen. Mit rund 79 Prozent war die Mehrzahl dieser älter als 60 Jahre. Drei Viertel der immunsupprimierten Personen hatten tatsächlich Lücken im Impfschutz. Und ihr gesetzlicher Anspruch auf kostenlose Impfungen gegen viele Infektionskrankheiten war zwei Dritteln von ihnen nicht bewusst.
Für das Autorenteam ist das Potenzial dieser Dienstleistung, die Impfquote insbesondere in der vulnerablen Patientengruppe zu steigern, eindeutig belegt. Zudem besitze das pharmazeutische Personal offensichtlich die Fähigkeiten, um diesen Service erfolgreich durchzuführen, so May und Bauer.
Allerdings zeigten sich im Rahmen des Pilotprojekts auch Probleme bei der praktischen Umsetzung des Impfpass-Checks im Apothekenalltag. Die größte Herausforderung für die Apothekenmitarbeiter war es, die immunsupprimierten Menschen zu identifizieren. Dafür könnten May zufolge verschiedene Gründe verantwortlich sein. Zum Beispiel, dass die betroffene Person in der Offizin bislang nicht persönlich bekannt gewesen war oder nicht in der Kundenkartei geführt wurde. Möglich sei aber auch, dass das eingelöste Rezept keine Rückschlüsse auf eine Immunsuppression zugelassen habe.
Um spezifische Fragen der Kundinnen und Kunden besser beantworten zu können und weitere Hinweise zur Identifizierung immunsupprimierter Menschen vermittelt zu bekommen, schlägt Bauer daher im Falle der Einführung des Impfpass-Checks als pharmazeutische Dienstleistung eine obligatorische Schulung für das pharmazeutische Personal vor.
Gut die Hälfte der Befragten beklagte zudem den zeitlichen Aufwand, den das Angebot mit sich bringt. Laut Umfrageergebnissen hatte die Beratung bei den meisten zwischen sechs und zehn Minuten gedauert.
Die positiven Effekte dieser Dienstleistung lassen sich May zufolge daher besser ausschöpfen, wenn die Apotheken für ihre Beratung Geld bekommen. »Da auf Seiten der Apotheken aus heilberuflicher Sicht ein großes Interesse an der Erbringung qualifizierter Dienstleistungen besteht, gilt es diese mittels einer adäquaten Honorierung auch mit kaufmännischen Belangen in Einklang zu bringen.« Die PZ hatte bereits darüber berichtetet, wie die Apothekenteams selbst die derzeitige Vergütung der pharmazeutischen Dienstleistungen bewerten.
Die Autoren weisen in ihrem Fazit ebenfalls auf die Tragweite des Impfpass-Checks für Immunsupprimierte hin. Allein die Summe der zusätzlichen Impfungen verbessere den Infektionsschutz in der Bevölkerung insgesamt, womit zugleich das Gesundheitssystem entlastet werde. Vor diesem Hintergrund sei zu prüfen, ob der Impfpass-Check samt Beratung als pharmazeutische Dienstleistung etabliert werden könne. »Ein politischer Wille« sollte sich überall dort finden lassen, wo Evidenz für den Versorgungsnutzen sowie ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis existiere, heben May und Bauer hervor.