Immer weniger Apotheken melden Nebenwirkungen |
Laura Rudolph |
04.05.2022 10:16 Uhr |
Die Berufsordnung verpflichtet Apothekerinnen und Apotheker, Verdachtsfälle von Nebenwirkungen an die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) zu melden. / Foto: Adobe Stock/gamelover
Apotheker müssen ihnen von Patienten zugetragene Nebenwirkungen und Arzneimittelrisiken an die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) melden. Diese wiederum gibt die Meldungen an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beziehungsweise das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weiter.
Eine Auswertung der AMK-Meldestatistik zeigt: Seit Beginn der Coronapandemie gingen die Meldungen deutlich zurück. Dieser Trend hält immer noch an. Auch die Anzahl der meldenden Apotheken nimmt seitdem kontinuierlich ab. Während die AMK im Jahr 2019 noch 3.110 Verdachtsfallmeldungen zu unerwünschten Wirkungen und 7.672 Meldungen zu Qualitätsmängeln erhielt, waren es 2021 nur noch 2.548 beziehungsweise 5.534 gemeldete Verdachtsfälle. In den Jahren und Jahrzehnten vor der Pandemie waren die Meldezahlen laut AMK dagegen kontinuierlich gestiegen.
Heilberufler und Arzneimittelanwender können Nebenwirkungen auch direkt an das BfArM melden. Doch diese Direktmeldungen nahmen ebenso ab, etwa um 35 Prozent seit Pandemiebeginn. Im aktuellen »Bulletin zur Arzneimittelsicherheit« berichten das BfArM und das PEI, dass davon auszugehen sei, »dass die SARS-CoV-2-Pandemie das ohnehin schon bestehende Problem des Underreportings zumindest mit Blick auf nicht vakzinassoziierte Meldungen verschärft«, also ein signifikanter Anteil von Nebenwirkungen ohne Bezug zur Corona-Impfung nicht gemeldet wird. Das liege vermutlich an der hohen Auslastung der Praxen und Kliniken während der Pandemie. Dagegen nahmen die Direktmeldungen an das BfArM durch Arzneimittelanwender deutlich zu.
Aufgrund des deutlichen Melderückgangs auch bei den Apotheken appelliert jetzt die AMK zur Meldung von Nebenwirkungen. Apotheker sollten Kunden aktiv nach Nebenwirkungen befragen und bei einem Verdacht melden. »Grundsätzlich gilt, dass jedes Arzneimittelrisiko gemeldet werden sollte, wenn hierdurch Patientinnen und Patienten vor Schäden bewahrt werden können oder die Behandlung verbessert werden kann«, betont die AMK. Für die Verdachtsmeldung bedürfe es weder eines Beweises der Kausalität noch einer Erklärung seitens der meldenden Apotheke.
Neben bislang unbekannten oder unerwarteten Nebenwirkungen sowie schweren Verläufen sollten auch bereits bekannte, nicht schwerwiegende unerwünschte Effekte gemeldet werden, erinnert die AMK. Von besonderem Interesse seien zudem UAW bei vulnerablen Gruppen wie Patienten mit Multimedikation, Schwangere, Stillende und Kinder sowie Risiken bei Arzneimitteln unter zusätzlicher Überwachung (▼) oder bei nicht verschreibungspflichtigen (OTC-)Arzneimitteln.
Für eine gültige Meldung genügen vier Angaben: der Name des Arzneimittelanwenders, des Meldenden, das verdächtige Arzneimittel sowie die vermutete unerwünschte Arzneimittelwirkung. »Weitere Angaben sind natürlich vorteilhaft, vor allem solche, die für das verdächtigte Arzneimittel als Auslöser der UAW sprechen«, so die AMK. Hierzu zählten konkrete Angaben zum zeitlichen Zusammenhang zwischen Arzneimittelanwendung und beobachteter Nebenwirkung und ob sich die UAW nach dem Absetzen des Arzneimittels besserte oder nach Wiederansetzen erneut auftrat. Auch Angaben zu Grunderkrankungen sowie Begleit- und Dauermedikation seien hilfreich.
Die Meldung an die AMK erfolgt am einfachsten über ein Online-Formular auf deren Website. Dafür gibt es zwei verschiedene Formulare: zum einen den Berichtsbogen für unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen, zum anderen den Berichtsbogen für Qualitätsmängel. Weitere Informationen finden sich auf der AMK-Website sowie im Informationsflyer »Für mehr Arzneimittelsicherheit«.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.