Im Schatten der Apothekenreform |
Alexander Müller |
07.10.2024 18:00 Uhr |
Auf den demografischen Wandel will die Kammer Hessen mit einem »Strategiepapier 2040« antworten, das auf dem »Perspektivpapier 2030« basiert. Es solle die pharmazeutische Versorgung ganzheitlich unter Einbeziehung der fortschreitenden Technisierung betrachten und der Politik die Vorschläge des Berufsstands für diese gesamtgesellschaftliche Herausforderung darlegen.
Den Schulterschluss mit den Ärzten suchen die Apothekerkammer Berlin und der Berliner Apotheker-Verein. »Zuerst in die Apotheke vor Ort« lautet ihr Antrag, der darauf abzielt, Apotheken als zusätzliche Säule der Erstversorgung von leichteren akuten Erkrankungen zu etablieren. Vorbild seien hier Länder wie Großbritannien oder die Schweiz. Apotheken könnten auch hierzulande die erste Anlaufstelle bei akuten gesundheitlichen Problemen sein, die keinen lebensbedrohlichen Zustand darstellen.
Mit ihrer Expertise wollen die Apotheken zudem von sogenannten Symptom-Checkern einbezogen werden; das sind Apps, die Menschen helfen sollen, ihre Beschwerden richtig einzuschätzen. Bislang seien die Apotheken außen vor, kritisieren die Kammern aus Hessen, Nordrhein und Berlin.
Der größte Block im Antragsbuch trägt die Überschrift »Rahmenbedingungen der Berufsausübung«. Die gut zwei Dutzend Anträge befassen sich mit verschiedenen Aspekten des Apothekenhonorars, aber auch vergleichsweise neuen Themen wie Impfungen, PoC-Tests und Telepharmazie.
Vom Apothekerverband Nordrhein kommt beispielsweise eine Art Grundsatzantrag, um die öffentliche Apotheke insgesamt zu stärken. Erhöhung und Dynamisierung des Fixums sowie höhere Honorierung für Botendienste, Betäubungsmittel-Dokumentation und Rezepturanfertigung gehören ebenso zu den Forderungen wie auf Kassenseite eine Absenkung des Zwangsrabatts, erleichterte Austauschregeln und retaxsichere E-Rezepte. Die Begründung des Antrags ist knapp: Die Arzneimittelversorgung muss gesichert werden.
Der Geschäftsführende Vorstand der ABDA fordert ebenfalls eine »deutliche Erhöhung« des Fixums und dessen Dynamisierung, außerdem eine Reaktion des Gesetzgebers auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Skonto-Verbot. Letztere hat Minister Lauterbach in seinem ApoRG versteckt – mutmaßlich als Druckmittel oder Verhandlungsmasse gegenüber einer insgesamt ablehnenden Apothekerschaft.
Höhere Notdienstgebühr: Das soll die Bevölkerung für diese besondere Leistung der Apotheken sensibilisieren. / © ABDA
Mehrere Kammern und Verbände können sich außerdem eine höhere Notdienstgebühr vorstellen: 4,20 Euro pro Inanspruchnahme, zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens das Doppelte. Die Bevölkerung solle damit »für den eigentlichen Sinn und Zweck des Notdienstes sensibilisiert werden«, heißt es. Die Organisationen aus Baden-Württemberg und Westfalen-Lippe bringen außerdem eine Erhöhung der von den Kassen bezahlten Notdienstgebühr von 2,50 auf 5 Euro ins Spiel.
Weil das alles irgendwie gegenfinanziert werden muss, möchte der LAV Baden-Württemberg Effizienzreserven bei den Krankenkassen heben. Deren Verwaltungskosten lägen mit 14,7 Milliarden Euro nämlich deutlich über dem Wertschöpfungsanteil der Apotheken. Also: weniger Krankenkassen und nicht unbedingt notwendige Leistungen streichen – etwa Kochkurse zur Neuversichertenakquise. Kammer und Verein aus dem Saarland fordern außerdem eine Bagatellgrenze für Retaxationen, um Kassen und Apotheken zu entlasten.