IBM baut mit Zur Rose das deutsche E-Rezept-System |
Alle elektronischen Verordnungen werden künftig über ein System laufen, dass die Doc-Morris-Schwester E-Health-Tec mitentwickelt hat. / Foto: picture alliance / PantherMedia
Jedes E-Rezept in Deutschland wird künftig über ein System abgewickelt, das die Doc-Morris-Schwester E-Health-Tec mitentwickelt hat. Nach Informationen der Pharmazeutischen Zeitung hat die mehrheitlich vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) kontrollierte Gematik den Zuschlag zur Entwicklung und zum Betrieb des E-Rezept-Fachdiensts an ein Konsortium von fünf Unternehmen vergeben, das vom US-IT-Konzern IBM angeführt wird. IBM war in Sachen E-Rezept bislang nicht Erscheinung getreten. Ganz anders die Firma E-Health-Tec: Als Tochterunternehmen des Schweizer Versandhändlers Zur Rose, der auch Doc Morris kontrolliert, hat E-Health-Tec die Technik hinter dem E-Rezept-Modell der Techniker Krankenkasse geliefert.
Die weiteren drei beteiligten Unternehmen waren zunächst nicht in Erfahrung zu bringen. Leer ausgegangen sind nach Informationen der Dienstleistungskonzern Noventi und der Abrechnungskonzern Optica. Beide hatten sich beworben, wurden aber nicht bezuschlagt. Welche Aufgaben die Zur Rose-Tochter in dem Konsortium übernehmen soll, ist auch noch unklar. In einer Mitteilung der Zur Rose-Gruppe hieß es lediglich: »Die gesammelten Erfahrungen als Systemanbieter für E-Rezept-Lösungen hat eHealth-Tec in die Bewerbung von IBM eingebracht. Die erfolgreiche Beteiligung an der Ausschreibung der gematik festigt die Rolle der Zur Rose-Gruppe als Vorreiter einer erfolgreichen Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland.«
Aber um was dreht sich der Auftrag konkret? Die Gematik wurde mit dem Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) beauftragt, die Komponenten für das kommende deutsche E-Rezept-System zur Verfügung zu stellen. Denn ab 2022 soll in Deutschland nur noch elektronisch verordnet werden. Doch selbst ist die Gematik nicht in der Lage, das System aufzubauen – deswegen hatte sie im Mai dieses Jahres mehrere Ausschreibungen veröffentlicht. Die wichtigste darunter: die Entwicklung, Bereitstellung, Erlangung und Betriebszulassung des sogenannten Fachdiensts für das E-Rezept.
Was genau ist dieser Fachdienst? Damit Ärzte E-Rezepte verordnen und Apotheker in ihren Warenwirtschaftssystemen E-Rezepte annehmen und bearbeiten können, müssen nicht nur die Software-Lösungen bei den Heilberuflern umgestellt werden. Vielmehr wird derzeit die Telematik-Infrastruktur (TI) aufgebaut, in der unter anderem E-Rezepte sicher zur Anwendung kommen können, also gewissermaßen eine Datenautobahn im Gesundheitswesen. Doch die E-Rezepte werden nicht einfach über eine sichere Leitung vom Arzt an die vom Patienten gewählte Apotheke gesendet. Vielmehr erzeugt der Mediziner die elektronische Verordnung, die dann auf einem zentralen Server (Fachdienst) verschlüsselt abgelegt wird. Gleichzeitig erzeugt wird ein Code für den Patienten. Mit diesem Code ermöglicht der Patient der Apotheke seiner Wahl dann den Zugriff auf die auf dem Server abgelegte Verordnung. Ein weiteres wichtiges Element in diesem System ist der sogenannte Identity-Provider, der die Identität der auf die Verordnungen zugreifenden Personen prüft und freigibt. Der Identity Provider ist allerdings nicht Gegenstand des IBM-Vertrags.
Konkret hat die Gematik in einer EU-weiten Ausschreibung für den Fachdienst Anbieter gesucht, die die für das E-Rezept erforderliche Infrastruktur in »hochverfügbaren, georedundanten Rechenzentren, die Lieferung, Installation und Support der skalierbaren Hard- und Software-Komponenten und die Entwicklung einer vertrauenswürdigen Ausführungsumgebung und eines Identity Providers« zur Verfügung stellen. Bis März 2021 müssen die Auftragsnehmer eine Testumgebung des E-Rezept-Systems bereitstellen, bis zum 23. Juni 2021 muss der Fachdienst in Betrieb genommen werden. Die Laufzeit des Auftrags beträgt zwei Jahre.
Die Auftragsnehmer müssen viele Voraussetzungen erfüllen. Schon in den Spezifikationen des E-Rezepts hatte die Gematik vorgegeben, dass der oder die Betreiber des Fachdiensts keinen Zugriff auf die Gesundheitsdaten der Patienten haben, die auf dem E-Rezept stehen. Außerdem sind die Stabilität und der Schutz vor Angriffen weitere wichtige Kriterien. Der Fachdienst muss zudem auf Ausfälle reagieren können und zweifach sicher redundant aufgebaut werden. Die Gematik überwacht dieses System und hat laut Ausschreibung das Recht, jederzeit auf die Anwendungen kontrollierend zuzugreifen.
Gematik-Chef Markus Leyck Dieken verteidigte gegenüber der PZ den Zuschlag an das Konsortium. Leyck Dieken zufolge ist die Leistungsfähigkeit ausschlaggebend gewesen. Der Gematik-Chef wörtlich: »Wir dürfen uns zum heutigen Tag noch nicht zum Vergabeverfahren äußern. Fest steht, dass wir uns bei der Vergabe streng an die Zuschlagskriterien einer öffentlichen EU-weiten Ausschreibung halten, die durch den Verwaltungsausschuss der Gesellschafter entsprechend beschlossen wurde. Mir ist wichtig zu betonen, dass das System der EU-weiten Ausschreibung diskriminierungsfrei ist – es wäre somit nicht möglich, bestimmte ausländische Anbieter von vornherein auszuschließen. Verbunden mit den sehr strengen publizierten Kriterien zu Wirtschaftlichkeit und einer Vielzahl weiterer Qualitäten erfolgt der Zuschlag am Ende an den Anbieter, der uns die beste Leistungsfähigkeit zu guten Konditionen für den Fachdienst darstellen kann. Eines möchte ich unbedingt klarstellen: Der Betreiber des Fachdienstes hat keinerlei Zugriff auf die Rezeptinhalte und auch nicht auf die Daten der Apotheken im Verzeichnis.«
Bei den Apothekern dürfte insbesondere die Beauftragung des Zur Rose-Konzerns trotzdem für Unverständnis sorgen. Denn gerade beim Thema E-Rezept hatte der Konzern zuletzt immer wieder für bedenkliche Entwicklungen gesorgt. Im Juli hatte der Versandapotheken-Konzern die Online-Praxis Teleclinic übernommen und sich dafür auch in der Politik viele Kritiker eingehandelt. Und Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli hat erst kürzlich wieder gezeigt, was er von den Grundregeln der Arzneimittelversorgung hält, als er beim BVDVA-Kongress die strikte Trennung zwischen Abgabe (Apotheke) und Verordnung (Arzt) in Frage stellte.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.