Hilfsangebote sind oft unbekannt |
Brigitte M. Gensthaler |
29.01.2019 15:20 Uhr |
Die meisten pflegenden Angehörigen sind älter als 50. Die Pflege geht oft zulasten ihrer eigenen Gesundheit. / Foto: Barmer
»Es gibt ein gutes Netzwerk an Hilfen und Unterstützungsangeboten, aber die Pflegenden erreichen dieses Netzwerk viel zu spät», berichtete Dr. Jens Schneider, Vorsitzender der Alzheimer-Gesellschaft Augsburg, bei einer Pressekonferenz der Barmer heute in München. Nicht einmal 20 Prozent der Angehörigen wüssten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, wie eine Demenz verläuft und welche Unterstützung es gibt. Der Apotheker plädierte für eine frühe und »ganz niederschwellige« Beratung vor Ort. Gerade an den Schnittstellen müsse auf das Hilfenetzwerk hingewiesen werden, sagte er. So könnten Ärzte und Apotheker, der medizinische Dienst der Krankenkassen und ambulante Pflegedienste eine Wegweiserfunktion übernehmen und über lokale Beratungsangebote informieren.
Die mangelnde Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen bestätigte Dr. Claudia Wöhler, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Bayern, bei der Vorstellung des Pflegereports 2018. Dabei wünschten sich fast 60 Prozent der befragten pflegenden Angehörigen weniger Bürokratie und mehr Transparenz bei der Beantragung von Leistungen. Dem will die Krankenkasse entgegenkommen: Ab Mitte 2019 kann der Hauptpflegeantrag auch online gestellt werden.
Wöhler sprach von einem »Pflege-Dschungel«, in dem sich die Betroffenen derzeit zurechtfinden müssten. Daher sei es richtig, dass die Bundesregierung die Kurzzeit- und die Verhinderungspflege in einem jährlichen Entlastungsbudget für Pflegebedürftige zusammenführen will. Hier sollten auch die Entlastungsleistungen von derzeit 125 Euro/Monat einfließen, forderte Wöhler. Damit könnten die Eigenanteile, zum Beispiel für einen Aufenthalt in einer Kurzzeitpflege, deutlich reduziert werden. Laut Barmer-Pflegereport nennen Pflegende die mangelnde Verfügbarkeit, Zweifel an der Qualität sowie die Kosten als Hauptgründe, warum sie Hilfsangebote nicht nutzen.
Laut Pflegereport gibt es in Deutschland mehr als 3 Millionen pflegebedürftige Menschen und rund 2,5 Millionen pflegende Angehörige, darunter rund 1,65 Millionen Frauen. Nur ein Drittel ist berufstätig, jeder Vierte hat seine Arbeit aufgrund der Pflege reduziert oder aufgeben müssen. Die Pflegenden sind überwiegend älter als 50 Jahre und im Schnitt kränker als Nicht-Pflegende. Dabei dominieren Muskel-Skelett-, Rücken- und psychische Erkrankungen. In Bayern leben 70 Prozent der 373.000 Pflegebedürftigen zuhause und werden von etwa 280.000 Angehörigen umsorgt. Jeder 14. Pflegende will dies nur noch mit mehr Unterstützung oder gar nicht mehr leisten.