| Annette Rößler |
| 17.10.2023 10:00 Uhr |
Wird im Blut ein HbA1c-Wert von mehr als 48 mmol/mol gemessen, liegt ein Diabetes vor. Bei Frauen vor den Wechseljahren könnte dieser Schwellenwert etwas zu hoch angesetzt sein. / Foto: Getty Images/Maskot
HbA1c ist eine Unterfraktion des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin (Hb), an den ein Zuckerrest gebunden ist. Die Bindung wird geknüpft, wenn die Glucosekonzentration im Blut über einen längeren Zeitraum erhöht ist. Einmal kovalent gebunden, wird der Zucker nicht wieder abgespalten, sodass der HbA1c-Wert ein Indiz für den Verlauf des Blutzuckers während der Lebensdauer der roten Blutkörperchen darstellt. Diese ist bei Frauen im gebärfähigen Alter tendenziell kürzer als bei Männern, da sie durch die Menstruation regelmäßig Blut verlieren und das Hämoglobin neu gebildet werden muss.
Dass sich dies durchaus nennenswert auf den HbA1c-Wert auswirkt, berichtet jetzt ein Team um David Holland von »The Benchmarking Partnership« in Alsager, Großbritannien, im Fachjournal »Diabetes Therapy«. Die Forschenden werteten die Ergebnisse der einmaligen HbA1c-Bestimmung von zunächst 146.907 Personen (Kohorte 1) und später, um das erste Ergebnis zu replizieren, noch von 938.678 Personen (Kohorte 2) aus. Dabei stellten sie fest, dass bei Frauen unter 50 Jahren der HbA1c-Wert durchschnittlich um 1,6 mmol/mol (2,3 Prozent) niedriger war als bei Männern. Bei Frauen ab 50 Jahren war mit 0,9 mmol/mol (2,23 Prozent) ein etwas geringerer Unterschied zu den Männern zu verzeichnen.
Mit zunehmendem Alter steigt der HbA1c-Wert generell geringfügig an. Dieser Anstieg hinke laut den Autoren aber bei Frauen unter 50 Jahren bis zu zehn Jahre gegenüber dem bei Männern hinterher. Die HbA1c-Wert-Bestimmung werde zunehmend auch zur Diagnosestellung von Diabetes mellitus verwendet und ersetze mittlerweile mehr und mehr früher gebräuchliche Methoden wie Nüchternglucosemessung und oraler Glucosetoleranztest (siehe Kasten). Die Forschenden schätzen daher, dass durch ihre generell niedrigeren Werte 17 Prozent der Frauen unter 50 Jahren mit Diabetes unterdiagnostiziert seien.
Der HbA1c-Wert kann laut geltender S3-Leitlinie als eine von mehreren Möglichkeiten zur Diagnosestellung eines Typ-1-Diabetes herangezogen werden. Demnach liegt ein Typ-1-Diabetes vor, wenn der HbA1c ≥ 48 mmol/mol (6,5 Prozent) liegt. Die Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes enthält noch kein eigenes Kapitel zur Diagnostik, der HbA1c-Wert wird in ihr aber als wichtiger Parameter zur Verlaufskontrolle genannt. Auf www.gesundheitsinformation.de, der Informationsseite des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), findet sich die Angabe, dass »die Diagnose Diabetes« – ohne Unterscheidung nach Typ – bei einem HbA1c über 6,5 Prozent gestellt werden kann.
Als Konsequenz aus ihren Ergebnissen schlagen die Forschenden vor, den HbA1c-Schwellenwert, ab dem die Diagnose Diabetes gestellt werden kann, bei Frauen unter 50 Jahren um 2 mmol/mol auf dann 46 mmol/mol (6,36 Prozent) zu senken. Denn die vergleichsweise späte Diagnosestellung habe für Frauen negative Konsequenzen: Bei ihnen sei Diabetes ein bedeutenderer kardiovaskulärer Risikofaktor als bei Männern, sie würden aber dennoch seltener adäquat medikamentös behandelt. In der Folge sei die Mortalitätsrate von weiblichen Diabetikern zwischen 16 und 50 Jahren höher als die von Männern. Mit einem abgesenkten HbA1c-Schwellenwert könnten laut ihren Berechnungen 64 Prozent des geschlechtsspezifischen Mortalitätsunterschieds wettgemacht werden.