Grüne: Online-Handel beschränken, Vor-Ort-Handel stärken |
Die Bundestagsfraktion der Grünen will internationale Online-Konzerne höher besteuern und Vor-Ort-Händler gezielt stärken. / Foto: picture alliance
Zumindest in der Arzneimittel- und Apothekenpolitik sind die Grünen in den vergangenen Jahren eher durch eine versandhandelsfreundliche Haltung aufgefallen. Sofort nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung stellten sich die Grünen-Gesundheitsexperten vehement gegen das Rx-Versandverbot und schlugen als Gegenmodell eine teilweise Aufhebung der Rx-Preisbindung in Form eines Höchstpreismodells vor.
Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die diesbezügliche Stimmung in der Partei kippen könnte. Schon seit Jahren fragen sich die Apotheker, warum eine Partei, die die Ökologie im Markenzeichen trägt, eine Sparte unterstützt, deren Ausliefermodell alles andere als umweltschonend ist. Hinzu kommen die Auswirkungen des Online-Booms auf den Vor-Ort-Handel. Im Arzneimittelbereich zeigt sich exemplarisch, wie schnell das Online-Geschäft wächst – insbesondere seit Beginn der Coronakrise. Sowohl die Shop Apotheke als auch Doc Morris als die beiden größten Arzneimittel-Versender, die Kunden in Deutschland beliefern, sind in den vergangenen Monaten weiter stark gewachsen. Gleichzeitig sinkt die Apothekenzahl – das allerdings schon seit Jahren.
Die Grünen haben dieses Problem nun offenbar für sich entdeckt. In den vergangenen Tagen tagte die Bundestagsfraktion und beschloss schließlich ein Papier, das sich damit beschäftigt, wie man Innenstädte »für die Zukunft fit machen« kann. Und gleich zu Beginn des Papiers erklärt die Fraktion mit deutlichen Worten: »Unsere Innenstädte und Ortskerne sind in einer tiefen Krise. Viele Einzelhändler, kulturelle Einrichtungen und soziale Initiativen mussten aufgrund des Kostendrucks schon vor Jahren die Innenstadtlagen aufgeben. Wer blieb, dem machte die Konkurrenz mit dem Online-Handel und weiter steigende Mieten zu schaffen. Nun sind selbst die Händler, Gewerbetreibende und Gastronomen, die sich noch halten konnten, durch coronabedingte Umsatzeinbrüche schwer getroffen und sogar vielen großen Kaufhäusern droht das Aus.«
Als eine Lösung schlagen die Grünen vor, den lokalen Handel durch eine »Digitalisierungsoffensive« zu unterstützen und gleichzeitig die »Marktmacht der großen Online-Plattformen« zu begrenzen. Für den Vor-Ort-Handel fordern die Grünen einen schnelleren Breitband-Ausbau sowie finanzielle Unterstützungen für »Smart City Projekte«. Als Beispiel führt die Fraktion hier »Pick-up-Läden zur Abholung online bestellter Waren« an. Ein weiterer Vorschlag sind »Kauf-vor-Ort-Gutscheine«, die zielgerichtet im lokalen Handel eingelöst werden sollen.
Um die Marktmacht der »Internetgiganten« zu begrenzen, wollen die Grünen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen reformieren. Konkret fordert die Fraktion eine Digitalsteuer für Internetkonzerne. Zur Begründung heißt es: »Große Digitalkonzerne machen derzeit hohe Gewinne. Zugleich zahlen sie weniger Steuern als vergleichbare traditionelle Unternehmen. Spätestens jetzt wäre der Zeitpunkt, dass sich die Bundesregierung diesem Steuerdumping entgegenstellt und ihre Blockade bei der europäischen Digitalsteuer aufgibt. Schon der Vorschlag der EU-Kommission, die Umsätze digitaler Großunternehmen an dem Ort, wo sie tätig sind, mit drei Prozent zu besteuern, würde zu geschätzten Einnahmen von fünf Milliarden Euro führen.«
Eine Digitalsteuer in Europa dürfte im Übrigen zumindest für den US-Konzern Google nicht neu sein. Denn erst vor wenigen Tagen informierte der Konzern seine Kunden in einer Mail, dass aufgrund neu eingeführter Digitalsteuern im Vereinigten Königreich und in Österreich neue Gebühren gelten.
Gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung ergänzte Kordula Schulz-Asche, Arzneimittel- und Apothekenexpertin der Grünen-Fraktion, dass auch die Apotheken ein wichtiger Bestandteil der Innenstädte von morgen seien. Wörtlich erklärte sie: »In Corona-Zeiten hat sich die Situation des Handels gerade auch in den Innenstädten verschärft. Der Versandhandel konnte quer durch alle Branchen in dieser Zeit profitieren. Innenstädte sind wichtig, weil sie zum Beispiel auch älteren und behinderten Menschen ein selbstbestimmtes Leben in der Gemeinschaft ermöglichen.«
Und weiter: »Der direkte Kontakt in der Apotheke vor Ort ist für die Gesundheit und die Gesundung von besonderer Bedeutung. Daher ist sie - wie auch andere kleinere Geschäfte - wesentlicher Bestandteil von Innenstädten mit Zukunft. Die Alleinstellungsmerkmale der Vor-Ort-Apotheken sind nicht von der Hand zu weisen, deshalb sollte der Apothekenversandhandel, der mancherorts sinnvoll für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung sein kann, nicht als Ersatz, sondern nur als Ergänzung gesehen werden.«
Hier ein PR-Video der Grünen-Fraktion zu der Thematik:
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.