Grippe vorbeugen und behandeln |
Annette Rößler |
03.03.2021 07:00 Uhr |
Die Wirksamkeit von Baloxavir wurde in den beiden Phase-III-Studien Capstone 1 und Capstone 2 gezeigt. Beide waren direkte Vergleiche mit Oseltamivir und Placebo. Baloxavir wurde dabei einmalig in der zugelassenen, gewichtsabhängigen Dosierung gegeben, Oseltamivir in der Dosierung 75 mg zweimal täglich über fünf Tage.
An Capstone 1 nahmen 1436 Patienten im Alter von 12 bis 64 Jahren mit unkomplizierter Influenza teil. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Abklingen der Grippesymptome (TTAS). Diese betrug unter Baloxavir 53,5 Stunden, unter Oseltamivir 53,8 Stunden und unter Placebo 80,2 Stunden. Somit war Baloxavir Oseltamivir nicht unterlegen und Placebo signifikant überlegen.
Die Teilnehmer von Capstone 2 waren 2184 Patienten ab zwölf Jahren, bei denen jeweils mindestens ein Faktor vorlag, der für eine Komplikation der Grippe prädisponierte. Als primärer Endpunkt war in dieser Studie die Zeit bis zur Verbesserung der Symptome definiert (TTIS). Folgende Werte wurden ermittelt: Baloxavir 73,2 Stunden, Oseltamivir 81,0 Stunden, Placebo 102,3 Stunden. Auch hier wurden somit mit statistischer Signifikanz die Nicht-Unterlegenheit von Baloxavir gegenüber Oseltamivir und die Überlegenheit gegenüber Placebo gezeigt.
Die Studie zur Postexpositions-Prophylaxe hieß Blockstone und umfasste 749 Haushaltskontakte von Grippepatienten. 607 von ihnen waren zwölf Jahre oder älter und erhielten entweder Baloxavir oder Placebo, die meisten innerhalb von 24 Stunden nach Einsetzen der Symptome beim Indexpatienten. In der Verumgruppe lag der Anteil derjenigen, die in der Folge selbst an laborbestätigter Influenza erkrankten, mit 1,9 Prozent versus 13,6 Prozent signifikant niedriger.
In vitro wirkt Baloxavir besser gegen Influenza-A-Viren als gegen Influenza-B-Viren. Beobachtungen aus klinischen Studien bestätigen dies. Eine Einschränkung bezüglich des Einsatzes gegen bestimmte Virusstämme lässt sich daraus aber nicht ableiten.
Genau im Blick behalten müssen wird man allerdings die Entwicklung von Resistenzen. So zeigen Influenzaviren mit der Punktmutation PA/I38T eine geringere Empfindlichkeit gegen das neue Medikament. In den Capstone-Studien wurden die Patienten teilweise auf diese Mutation untersucht. Dabei zeigte sich, dass sie bei 36 von 370 (9,7 Prozent) beziehungsweise 15 von 290 (5,2 Prozent) der mit Baloxavir behandelten Teilnehmer unter der Therapie aufgetaucht war, in den Placebogruppen dagegen bei keinem einzigen Probanden.
Auf die drohende Resistenzproblematik hatten Forscher bereits Ende 2019 im Fachjournal »Nature Microbiology« hingewiesen (DOI: 10.1038/s41564-019-0609-0). Es stehe zu befürchten, dass Influenza-A-Viren durch die Mutation PA/I38T schnell resistent gegen Baloxavir werden könnten, ohne dass ihre Pathogenität nachlasse, hieß es da.
Nach vielen Jahren gibt es mit Baloxavir erstmals wieder ein antivirales Medikament mit einem neuen Wirkprinzip zum Einsatz bei Grippe. Hemmstoffe der Cap-abhängigen Endonuklease gab es bisher keine, weshalb Baloxavir als Sprunginnovation einzustufen ist.
Die Zulassung basiert unter anderem auf den Capstone-Studien, die zeigen, dass das antivirale Medikament die Krankheitsdauer verkürzen kann. Zudem belegt die Blockstone-Studie, dass Baloxavir auch zur Postexpositions-Prophylaxe dienlich ist. Vorteilhaft sind das einfache Therapieschema per Einmaldosis und das gute Verträglichkeitsprofil.
Hervorzuheben ist ferner, dass Baloxavir auch gegen Oseltamivir-resistente Stämme und Stämme der Vogelgrippe, etwa H7N9 und H5N1, wirksam ist. Welchen Umfang und welche Auswirkungen Escape-Mutationen unter Baloxavir haben, wird man zukünftig aber genau im Blick behalten müssen.
Sven Siebenand, PZ-Chefredakteur
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.