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Baloxavir

Grippe vorbeugen und behandeln

Alle reden vom Coronavirus, aber es gibt auch noch Pharmazie abseits von SARS-CoV-2: Roche hat jetzt Baloxavir auf den Markt gebracht, ein Influenzamittel mit neuem Wirkmechanismus. Es kann vorbeugend und therapeutisch eingesetzt werden.
Annette Rößler
03.03.2021  07:00 Uhr

Influenzaviren nutzen wie alle Viren die Zellorganellen ihrer Wirtszellen, um ihr Erbgut zu replizieren und ihre Proteine herzustellen, sodass neue Virionen freigesetzt werden können. Die Proteinsynthese findet dabei nach der Vorlage von mRNA an den Ribosomen statt. Die genetische Information des Influenzavirus, die in Form von RNA vorliegt, muss dazu zunächst in mRNA umgeschrieben werden. Damit die Ribosomen die Virus-mRNA als Vorlage für die Proteinsynthese anerkennen, muss sie dabei mit einer bestimmten Kappe (englisch Cap) versehen werden, eine Art molekulares Etikett, das menschliche mRNA normalerweise im Zellkern erhält.

Baloxavir marboxil (Xofluza® 20 mg und 40 mg Filmtabletten, Roche) greift in diesen Prozess ein. Sein aktiver Metabolit Baloxavir hemmt die Cap-abhängige Endonuklease, ein Influenzavirus-spezifisches Enzym, das an der Transkription von Influenza-RNA beteiligt ist. Baloxavir hat somit einen anderen Ansatz als die Grippemittel Oseltamivir (Tamiflu®) und Zanamivir (Relenza®): Diese hemmen die virale Neuraminidase, die für die Freisetzung von Virionen gebraucht wird. In-vitro-Studien zeigen, dass Baloxavir auch gegen Influenzavirus-Stämme wirksam ist, die als resistent gegen Neuraminidasehemmer gelten.

Zwei Indikationen

Das neue Medikament hat zwei zugelassene Indikationen: die Behandlung einer unkomplizierten Influenza und die Postexpositions-Prophylaxe einer Influenza, jeweils bei Personen ab zwölf Jahren. Nach Einsetzen von Grippesymptomen beziehungsweise nach einem Kontakt mit einer Person mit bestätigter oder vermuteter Influenza soll Xofluza möglichst bald innerhalb von 48 Stunden einmalig eingenommen werden. Die Dosis richtet sich dabei nach dem Körpergewicht: Für Patienten unter 80 kg werden 40 mg, also zwei Filmtabletten à 20 mg, empfohlen, für schwerere Patienten 80 mg in Form von zwei Filmtabletten à 40 mg. Die Einnahme erfolgt unabhängig von den Mahlzeiten, aber nicht zusammen mit Produkten, die polyvalente Kationen enthalten, zum Beispiel Antacida oder Eisen-, Zink- oder Magnesium-Präparaten.

Als Vorsichtsmaßnahme soll Xofluza in der Schwangerschaft nicht angewendet werden. In der Stillzeit muss eine Entscheidung getroffen werden, ob das Stillen abgebrochen oder auf die Behandlung mit Baloxavir verzichtet wird. Dabei sind sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Behandlung für die Mutter zu berücksichtigen.

In Japan und den USA ist Xofluza bereits auf dem Markt. Dort wurden nach der Markteinführung Überempfindlichkeitsreaktionen beobachtet, darunter auch Berichte von Anaphylaxien. Wie häufig solche schweren Reaktionen sind, ist laut Fachinformation jedoch nicht bekannt. Die Häufigkeit von Urtikaria wird mit »gelegentlich« angegeben, also ≥ 1 von 1000 bis < 1 von 100 Behandelten.

Ergebnisse der Zulassungsstudien

Die Wirksamkeit von Baloxavir wurde in den beiden Phase-III-Studien Capstone 1 und Capstone 2 gezeigt. Beide waren direkte Vergleiche mit Oseltamivir und Placebo. Baloxavir wurde dabei einmalig in der zugelassenen, gewichtsabhängigen Dosierung gegeben, Oseltamivir in der Dosierung 75 mg zweimal täglich über fünf Tage.

An Capstone 1 nahmen 1436 Patienten im Alter von 12 bis 64 Jahren mit unkomplizierter Influenza teil. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Abklingen der Grippesymptome (TTAS). Diese betrug unter Baloxavir 53,5 Stunden, unter Oseltamivir 53,8 Stunden und unter Placebo 80,2 Stunden. Somit war Baloxavir Oseltamivir nicht unterlegen und Placebo signifikant überlegen.

Die Teilnehmer von Capstone 2 waren 2184 Patienten ab zwölf Jahren, bei denen jeweils mindestens ein Faktor vorlag, der für eine Komplikation der Grippe prädisponierte. Als primärer Endpunkt war in dieser Studie die Zeit bis zur Verbesserung der Symptome definiert (TTIS). Folgende Werte wurden ermittelt: Baloxavir 73,2 Stunden, Oseltamivir 81,0 Stunden, Placebo 102,3 Stunden. Auch hier wurden somit mit statistischer Signifikanz die Nicht-Unterlegenheit von Baloxavir gegenüber Oseltamivir und die Überlegenheit gegenüber Placebo gezeigt.

Die Studie zur Postexpositions-Prophylaxe hieß Blockstone und umfasste 749 Haushaltskontakte von Grippepatienten. 607 von ihnen waren zwölf Jahre oder älter und erhielten entweder Baloxavir oder Placebo, die meisten innerhalb von 24 Stunden nach Einsetzen der Symptome beim Indexpatienten. In der Verumgruppe lag der Anteil derjenigen, die in der Folge selbst an laborbestätigter Influenza erkrankten, mit 1,9 Prozent versus 13,6 Prozent signifikant niedriger.

Wirksamkeit gegen verschiedene Stämme

In vitro wirkt Baloxavir besser gegen Influenza-A-Viren als gegen Influenza-B-Viren. Beobachtungen aus klinischen Studien bestätigen dies. Eine Einschränkung bezüglich des Einsatzes gegen bestimmte Virusstämme lässt sich daraus aber nicht ableiten.

Genau im Blick behalten müssen wird man allerdings die Entwicklung von Resistenzen. So zeigen Influenzaviren mit der Punktmutation PA/I38T eine geringere Empfindlichkeit gegen das neue Medikament. In den Capstone-Studien wurden die Patienten teilweise auf diese Mutation untersucht. Dabei zeigte sich, dass sie bei 36 von 370 (9,7 Prozent) beziehungsweise 15 von 290 (5,2 Prozent) der mit Baloxavir behandelten Teilnehmer unter der Therapie aufgetaucht war, in den Placebogruppen dagegen bei keinem einzigen Probanden.

Auf die drohende Resistenzproblematik hatten Forscher bereits Ende 2019 im Fachjournal »Nature Microbiology« hingewiesen (DOI: 10.1038/s41564-019-0609-0). Es stehe zu befürchten, dass Influenza-A-Viren durch die Mutation PA/I38T schnell resistent gegen Baloxavir werden könnten, ohne dass ihre Pathogenität nachlasse, hieß es da.

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