GKV-Finanzen, Digitalisierung, Cannabis – Lauterbach will reformieren |
Ev Tebroke |
04.05.2022 18:04 Uhr |
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die nächsten Monate nutzen, um zahlreiche Gesetzesvorhaben umzusetzen. / Foto: Imago Images/photothek
Es wird ungeduldig erwartet: Das Gesetz zur Finanzstabilisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Denn es soll die Stellschrauben benennen, an den gedreht wird, um im Gesundheitswesen Einsparungen zu erzielen. Auf 17 Milliarden Euro beläuft sich die geschätzte Finanzierungslücke der GKV im kommenden Jahr. Viel Geld, das Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) einsparen muss. Die Erwartungen an das Gesetz sind entsprechend hoch, die Ängste aufseiten der Krankenkassen und Leistungserbringer wie Ärzte und Apotheker groß. Nun müssen sich alle noch etwas gedulden, bis ein erster Aufschlag eines Gesetzentwurfs vorliegen wird: Frühestens Ende Mai soll es soweit sein. Das kündigte Lauterbach heute vor Journalisten an.
»Ende des Monats werden wir ein Gesetz vorlegen zur GKV-Finanzierung«, sagte der Minister heute im Rahmen eines Pressegesprächs im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Betonte aber im nächsten Satz, er lasse sich nicht drängen. Derzeit prüfe das BMG gerade, welche Auswirkungen der Krieg in der Ukraine auf die Ein- und Ausgaben der GKV habe. Auch will Lauterbach die Ergebnisse des GKV-Schätzerkreises abwarten. Die Zahlen gelte es zu kennen, um den exakten Finanzbedarf für 2023 benennen zu können, betonte er. Angesichts dieser Aussage bleibt es abzuwarten, ob der Entwurf tatsächlich »spätestens in zwei Wochen« vorliegen wird, wie Lauterbach ankündigte. Denn die öffentliche Prognose des Schätzerkreises erfolgt in der Regel im Oktober.
Zuletzt hatte ein vermeintlicher Gesetzentwurf zu dem Spargesetz für Aufregung gesorgt. Darin waren vor allem die Apothekerschaft und die Pharmaindustrie sehr schlecht weggekommen und mussten mit aus ihrer Sicht drastischen Sparmaßnahmen rechnen. Vorgeschlagen wurden darin beispielsweise eine Erhöhung des Kassenabschlags auf 2 Euro und eine Absenkung der Umsatzsteuer auf Arzneimittel. Der Entwurf erwies sich aber letztlich als Irrläufer und wurde zurückgezogen. Insgesamt haben Lauterbachs Zeitpläne in den vergangenen Wochen für Verwirrung gesorgt: Erst vor wenigen Tagen hatte er bei einer Veranstaltung des AOK-Bundesverbands gesagt, dass er den Entwurf der Sparreform »in den nächsten Tagen« vorlegen wolle.
Was die Pläne zur Digitalisierung des Gesundheitswesens anbelangt, kündigte Lauterbach eine konkrete Opt-Out-Regelung für die Nutzung der elektronischen Patientenakte (EPA) an. Jeder Patient soll somit aktiv der Verfügbarkeit seiner Gesundheitsdaten wiedersprechen müssen. Die Nutzung der Gesundheitsdaten nennt Lauterbach die »wichtigste Voraussetzung für den Erfolg der EPA überhaupt«. Mit der Opt-Out-Regel soll gewährleistet sein, dass die Nutzung der Daten auf der EPA zur Regel wird, wenn der Patient nicht widerspricht. Nur so könne etwa ein Krankenhausarzt im Notfall auf die Patientendaten zugreifen und weiterverwenden, die der Hausarzt auf der Akte hinterlegt hat.
Voranbringen will Lauterbach auch die rasche Digitalisierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes. So soll via DEMIS die digitale Datenübertragung an die Gesundheitsämter ermöglicht werden, um im Herbst besser auf eine neue Pandemie-Welle vorbereitet zu sein. Was das E-Rezept betrifft, so ist Lauterbach zuversichtlich, dass es dieses Jahr zum Roll-out kommt und damit für den Patienten erstmals ein konkreter Nutzen der Digitalisierung erlebbar wird. Beim E-Rezept hatte Lauterbach zuvor außerdem angekündigt, dass er den Nutzen für Patienten und Leistungserbringer klarer herausstellen wolle. Es sei beispielsweise nicht zielführend, dass die neuen Rezept-Codes millionenfach ausgedruckt würden. Dies sei keine Verbesserung zum Status quo, so der Minister in der vergangenen Woche. Mit ersten Entwürfen rechnet der Minister im zweiten Halbjahr 2022.
Abgesehen von der notwendigen Krankenhausstrukturreform nannte Lauterbach als weitere Vorhaben die Etablierung von sogenannten Gesundheitskiosken als Regelversorgung. Diese niedrigschwelligen Anlaufstellen zur Gesundheitsversorgung in Problembezirken gibt es etwa seit einigen Jahren in Hamburg. Des Weiteren plant das BMG eine Gesetzesinitiative zur Legalisierung von Cannabis. Hier sagte Lauterbach, die Gefahren einer Nicht-Legalisierung seien größer als eine Legalisierung. Früher sei er gegen eine Legalisierung gewesen, habe seine Position aber nun revidiert. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll nun in der zweiten Hälfte des Jahres kommen.
Was das Pandemie-Management begrifft, so rechnet Lauterbach im Herbst konkret mit einer neuen Welle. Dafür arbeitet das BMG derzeit an einem Pandemie-Bekämpfungskonzept. Dieses soll »nächste oder übernächste Woche« vorliegen, so der Minister. Darin geht es demnach insbesondere auch um eine verbesserte Impfstrategie.