Gezielte Behandlung mit Phagen-Mix |
Theo Dingermann |
11.08.2022 11:00 Uhr |
Bakteriophagen sind Viren, die auf bestimmte Bakterien als Wirtszelle spezialisiert sind. Sie können dafür eingesetzt werden, pathogene Bakterienarten gezielt abzutöten. / Foto: Adobe Stock/peterschreiber.media
Das Darmmikrobiom spielt bei der Entstehung einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) bei genetisch prädisponierten Personen eine relevante Rolle. So lässt sich beispielsweise im Tierexperiment zeigen, dass die Übertragung einer gestörten (dysbiotischen), mit CED assoziierten Mikrobiota bei gesunden Mäusen Darmentzündungen induziert und dass ein Eingriff in das Mikrobiom durch eine Behandlung mit Antibiotika die Darmentzündung in CED-anfälligen Tiermodellen verbessert. Allerdings ist die Behandlung einer CED beim Menschen mit Breitbandantibiotika keine wirklich praktikable Option, da sie mit erheblichen unerwünschten Wirkungen, mit Dysbiose und mit dem Auftreten resistenter Stämme verbunden ist.
Nun zeigt ein Team um Dr. Sara Federici vom Systems Immunology Department des Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel, eine interessante Interventionsalternative auf, die auf den Einsatz von Bakteriophagen beruht. Die Ergebnisse seiner Arbeit hat es im Fachjournal »Cell« publiziert.
Die Forschenden charakterisierten zunächst die Darmflora von CED-Patienten und von gesunden Kontrollen aus Frankreich, Israel, den USA und Deutschland. Dabei fiel auf, dass in der Mikrobiota der Patienten häufig bestimmte Klebsiella pneumoniae-Stämme (Kp2) deutlich angereichert waren. Die aus dieser Beobachtung abgeleitete Hypothese, dass die vermehrt vorhandenen Kp2-Klebsiellen an der Pathogenese beteiligt sind, bestätigte sich in Experimenten an Mäusen. Wurden diese Stämme auf spezielle Mausstämme übertragen, löste dies bei den Nagern eine entzündliche Darmerkrankung aus.
Im nächsten Schritt screenten die Forschenden große Bibliotheken mit Phagen, Viren, die darauf spezialisiert sind bestimmte Bakterienarten zu befallen und sich in ihnen zu vermehren. Zunächst gelang es ihnen, 38 Phagen zu identifizieren, die auf die pathogenen Klebsiella-Arten spezialisiert sind. Diese Phagen bildeten dann die Basis für 48 Phagen-Kombinationen, die in silico entwickelt und in vitro gegen die pathogenen Klebsiellen getestet wurden.
In der In-vivo-Validierungsphase stellte sich allerdings heraus, dass die eingesetzten bakteriellen Probe auch Mutanten enthielt, die gegen alle zuvor isolierten Phagen resistent waren. Mit diesen phagenresistenten Kp2-Mutanten wurde dann in der Phagensammlung nach Vertretern gesucht, die auch diese Klebsiellen abtöteten. Diese wurden dann in neue Phagen-Kombinationen integriert und getestet. Insgesamt wurden in diesem Screening 41 Phagen isoliert und funktionell charakterisiert.
Mit bestimmte Phagen-Kombinationen gelang es, die Menge an Kp2-Bakterien um mehr als 3 Logs im Vergleich zu nicht behandelten Tieren zu reduzieren. Eine optimale Kp2-Eradikation wurde durch die tägliche Verabreichung von 107 PFU/ml bis 109 PFU/ml ausgewählter Phagen-Kombinationen und dreiwöchiger Behandlung erreicht. Dies ging einher mit einer deutlichen Verringerung entzündungsspezifischer Marker.