Gemeinsam in die Zukunft gehen |
Kerstin Pohl |
27.06.2022 13:00 Uhr |
Vorstand und Aufsichtsrat der Sanacorp auf der Hybridveranstaltung in München. Links am Rednerpult: Vorstandsvorsitzender Herbert Lang / Foto: Sanacorp
Der Vorstandsvorsitzende Herbert Lang gab zunächst einen detaillierten Überblick des Geschäftsjahrs 2021. Noch hätten die Coronapandemie und der Ukrainekrieg keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung. Trotzdem hätten sich bei einigen Arzneimitteln wie beispielsweise dem Brustkrebsmedikament Tamoxifen eklatante Versorgungsengpässe gezeigt, die verhinderten, dass 130.000 Betroffene nicht mit dem Präparat versorgt werden konnten.
Die Ursachen dafür seien hausgemacht, so Lang, und kritisierte die Politik. »Sie soll über eine nachhaltige Versorgung an Arzneimitteln nachdenken und nicht weiter mit Scheuklappen die Realität ausblenden und Discountfantasien hinterherrennen«, sagte der Vorstandsvorsitzende.
Er forderte, die Finanzierung des deutschen Arzneimittelmarktes dringend wieder auf solide Beine zu stellen. Hersteller, Großhändler und Apotheken müssten deshalb zwingend nachhaltig und auskömmlich umgestaltet werden und zwar so, dass es sich wieder lohne, in Qualität und Leistung zu investieren.
Aber auch positive Aspekte stellte Lang vor: Die erfolgreiche Übernahme und Integration der Fiebig-Gruppe in die Sanacorp, eine 19. Niederlassung im nordhessischen Neuenstein mit angeschlossenem neuen Zentrallager, das die deutschlandweite Lieferfähigkeit von Medikamenten weiter verbessern konnte, sowie Sanierung und Umbau eines Werkes in Düsseldorf bei laufendem Betrieb.
Mit der Einführung des E-Rezepts zum 1. September 2022 ergeben sich neue Herausforderungen für Apotheker. Laut ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände führen Apotheken bereits täglich rund 300.000 Botengänge durch. Das E-Rezept wird die Nachfrage nach Botendienstlieferungen deutlich erhöhen. Dieses Problem will die Sanacorp durch die Kooperation mit Lieferdienst Aponia, einem auf den Apothekenmarkt spezialisierten Anbieter, angehen.
Aber gerade dieser Botendienst macht den Apothekern augenscheinlich Probleme. Bei der Generaldebatte wiesen Teilnehmer darauf hin, dass die Standespolitik diese Kurierdienste ablehnt und sich die zuständigen Kammern und Verbände diesem Thema nur sehr vorsichtig nähern. Vor allem müssten juristische Fragen hinreichend geklärt sein.
Die Sanacorp-Vertreter sahen hingegen kein Problem, da die rechtliche und operative Hoheit durchgehend bei den Apotheken liege, wodurch ein regelkonformes Rahmenwerk im Sinne der Apothekenbetriebsordnung gewährleistet werde. Außerdem sei Aponia Good-Distribution-Practice (GDP) zertifiziert und garantiere, dass die Apotheken während der gesamten Auslieferung die rechtliche und operative Hoheit über das Arzneimittel behalten. Bisher kommen die Kuriere in fünf Städten zum Einsatz, ab dem 1. Juli sind die Aponia-Kuriere dann auch in Essen (NRW) unterwegs.
Der pharmazeutische Großhandelsmarkt in Deutschland wuchs nach Unternehmensangaben um 4,6 Prozent von 34,6 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2020 auf 36,2 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2021. Davon profitierte auch die operative Tochter Sanacorp Pharmahandel mit einem Umsatzzuwachs von 5,6 Prozent von 5,2 Milliarden Euro in 2020 auf 5,5 Milliarden Euro im Jahr 2021. Mit dem Umsatz durch die Übernahme der Pharmagroßhandlung Leopold Fiebig ergebe sich ein Gesamtumsatz von 5,9 Milliarden Euro.
Kritisch sieht Lang die Entwicklung des Hochpreiserumsatzes, der mittlerweile 31 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht. Diese hochpreisigen Arzneimittel müssten vorfinanziert werden und die Gewinnmarge sei nur gering, betonte er. Hier wäre eine Anpassung des derzeitigen Versorgungssystems erforderlich, so der Vorstandsvorsitzende.
Mit dem Ergebnis der Sanacorp Pharmahandel mit 30,6 Millionen Euro vor Steuern (2020: 20,5 Millionen Euro) zeigte sich Lang zwar zufrieden, ebenso mit dem Ergebnis der Sanacorp Pharmazeutische Großhandlung von 12,4 Millionen Euro vor Steuern, 400.000 Euro mehr als im Vorjahr. Er wies aber auf die explodierenden Mehrkosten der letzten Monate hin, die an den Kunden weitergegeben werden müssten.
Positiv ist laut Lang auch die Mitgliederzahl der genossenschaftlich organisierten Sanacorp. Nach leichten Abnahmen in den letzten Jahren ist sie demnach um 82 angewachsen auf nun 7437 Mitglieder.
Der Bilanzgewinn der Sanacorp Pharmazeutische Großhandlung liegt für das Geschäftsjahr 2021 bei 6.510.000 Euro. Vorstand und Aufsichtsrat haben auf der Vertreterversammlung vorgeschlagen, den vollständigen Bilanzgewinn für die Ausschüttung einer Bardividende an die Mitglieder zu verwenden. Die Verteilung erfolgt dabei gemäß § 44 der Satzung der Genossenschaft. Daraus resultiert eine Basisdividende von 3,2 Prozent und eine Förderdividende von 10,8 Prozent, was eine Gesamtdividende von 14 Prozent ausmacht. Der Vorschlag wurde von der Vertreterversammlung mit der notwendigen Mehrheit beschlossen und soll zum 27. Juni 2022 erfolgen.
In zwei Jahren feiert die Sanacorp ihr 100-jähriges Bestehen. Deshalb ist 2024 eine Jubiläumsdividende für Mitglieder geplant, um deren Treue zu belohnen und als Anreiz für neues, genossenschaftliches Engagement. Diesem Vorschlag, der in einer Satzungsänderung festgelegt wird, stimmte die Vertreterversammlung mit der notwenigen Dreiviertelmehrheit ebenfalls zu.
Im Rahmen der Veranstaltung wurden Wahlen zum Aufsichtsrat durchgeführt. Dabei bestätigten die Vertreterinnen und Vertreter Dr. Lawrence Oshinowo, Dr. Jan-Henning Keller und Dr. Thomas Ulrich in ihren Ämtern als Aufsichtsratsmitglieder. Auch bei der Ergänzungswahl gab es keine Änderungen: Stephanie Funk und Christine Waibel bleiben Ersatzmitglieder des Aufsichtsrates.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.