Geburtenkontrolle für Stechmücken |
Christina Hohmann-Jeddi |
20.11.2019 13:00 Uhr |
Bei der Sterile-Insekten-Technik werden massenhaft sterile Männchen im Labor aufgezogen und später in die Umwelt entlassen, um sich dort mit Weibchen zu paaren. Der Nachwuchs bleibt aus, was die Population schrumpfen lässt. / Foto: Adobe Stock/sereepai
Die Sterile-Insekten-Technik (SIT) ist eine Art von Geburtenkontrolle für Stechmücken oder andere schädliche Insekten. Bei diesem Verfahren werden große Mengen an männlichen Tieren herangezogen, die durch Bestrahlung sterilisiert werden. Diese werden in Zielgebieten freigelassen und können sich dort mit Weibchen paaren, aber keinen Nachwuchs zeugen. Dadurch sinkt auf Dauer die Population. Diese Technik wurde erstmals in den späten 1950er-Jahren von der US-Landwirtschaftsbehörde entwickelt und seitdem zur Bekämpfung von Pflanzen-Schädlingen etwa der Mittelmeerfruchtfliege und der Neuwelt-Schraubenwurmfliege in verschiedenen Ländern erfolgreich angewendet. Sie wird laut WHO-Angaben derzeit in sechs Kontinenten in der Landwirtschaft genutzt.
Inwieweit sich die Technik auch im Kampf gegen Tropenkrankheiten, die von Stechmücken übertragen werden, eignet und so Menschen schützen kann, will jetzt das UN-Programm gegen Tropenkrankheiten (TDR) zusammen mit der Internationalen Atomenergiebehörde, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen und der WHO systematisch untersuchen. Die Organisationen haben hierfür einen Stufenplan entwickelt, in dem die Praktikabilität, die Wirksamkeit und die Kosteneffektivität der Methode getestet werden soll, meldet die WHO.
Ziel ihrer Bemühungen sind Stechmücken der Gattung Aedes. Die Tiere übertragen unter anderem die Erreger von Gelbfieber, Zikafieber, Chikungunya und Dengue-Fieber. Gerade Dengue-Viren haben sich in den vergangenen Jahrzehnten laut Mitteilung der WHO rasant ausgebreitet. »Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt derzeit in Dengue-Risikogebieten«, sagt WHO-Expertin Dr. Soumya Swaminathan. Dr. Florence Fouque, Wissenschaftlerin beim TDR, erklärt, dass Länder, die stark von Dengue und Zika betroffen sind, Interesse angemeldet haben, diese Technik zu testen. Denn sie könne helfen, Mücken zurückzudrängen, die bereits Resistenzen gegen Insektizide entwickeln, und auch den Einsatz von umweltschädlichen Insektiziden zu verringern. Es sind zunächst drei multinationale Teams geplant, die SIT gegen Aedes-Mücken einsetzen und das Verfahren evaluieren.
Modellprojekte mit der Technik laufen schon in einzelnen Ländern. So wurde vergangenes Jahr in Brasilien eine ungewöhnliche Art der Freisetzung getestet. Bisher wurden die herangezogenen sterilen Tiere mit hohem Arbeitsaufwand auf dem Boden freigelassen. Die Internationalen Atomenergiebehörde setzte in Brasilien die Tiere mittels Drohne frei. Auf diese Weise könnten 20 Hektar in fünf Minuten behandelt werden, meldete die Behörde. Eine Drohne pro Flug könne bis zu 50.000 sterile Mücken transportieren. Die Methode wäre schneller und kosteneffektiver als die bisherigen Freisetzungswege. Die Internationale Atomenergiebehörde arbeitet auch daran, die Sterile-Insekten-Technik auf Anopheles-Mücken anzupassen, um auch den Vektor der Malaria zurückdrängen zu können.