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Kurzsichtigkeit
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Fragezeichen hinter Atropin, Ausrufezeichen hinter Sonnenlicht

Zuletzt las und hörte man immer wieder von Atropin-Augentropfen als Hoffnungsträger bei Myopie. Ein Experte von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) setzt ein Fragezeichen hinter diesen Behandlungsansatz und plädiert für etwas Besseres: Kinder an die Luft!
AutorKontaktSven Siebenand
Datum 26.09.2024  18:00 Uhr
Fragezeichen hinter Atropin, Ausrufezeichen hinter Sonnenlicht

In Europa sind 30 bis 40 Prozent der jungen Menschen kurzsichtig, heißt es in der Pressemitteilung der DOG. Jeder zehnte davon bekommt eine sogenannte hohe Myopie, so Professor Dr. Wolf Lagrèze, Leiter der Sektion Neuroophthalmologie, Kinderophthalmologie und Schielbehandlung der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg. Darunter verstehen Mediziner eine Kurzsichtigkeit von mehr als -6 Dioptrien. Ab diesem Wert steigt das Risiko für langfristige Netzhautschäden an. Laut dem Mediziner sind Werte ab -10 Dioptrien besonders kritisch, da das Risiko für eine spätere Sehbehinderung durch Makuladegeneration oder Netzhautablösung dann bei mehr als 50 Prozent liegt.

Zur Behandlung der Kurzsichtigkeit wird seit einigen Jahren immer wieder auch die Behandlung mit stark verdünnten Atropin-Augentropfen ins Spiel gebracht. Das Tropan-Alkaloid soll das Längenwachstum des Augapfels bremsen. »In Studien aus dem asiatischen Raum wurden damit gute Ergebnisse erzielt«, informiert Lagrèze. In Europa und den USA seien aber vergleichbare Erfolge bisher ausgeblieben.

Als Beispiel führt die DOG unter anderem die sogenannte MOSAIC-Studie an, in der eine zweijährige Anwendung von 0,01 prozentigen Atropintropfen das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit im Vergleich zu Placebo nur um 0,1 Dioptrien verringerte. Die sogenannte CHAMP-Studie verglich Placebo mit 0,01 und 0,02 prozentigem Atropin. Auch hier kein wirklich überzeugendes Ergebnis: Nach dreijähriger Therapie war das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit in der 0,01 prozentigen Gruppe um 0,25 Dioptrien geringer als in der Placebogruppe. »Obwohl dieser Effekt statistisch signifikant war, erscheint es doch übertrieben, ihn als für die Betroffenen wirklich klinisch bedeutsam anzusehen«, konstatiert Lagrèze.

Mit Spannung würden nun die Ergebnisse der AIM-Studie erwartet, die die Wirkung von 0,02 prozentigen Atropintropfen in der Formulierung eines anderen Herstellers untersucht.

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