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Prostatakarzinom

Fortschritte in der frühen Diagnose

Jedes Jahr erkranken etwa 60.000 Männer in Deutschland neu an Prostatakrebs. Die weitaus meisten Tumoren werden im Frühstadium entdeckt. Dazu trägt eine verbesserte Diagnostik erheblich bei. Katze oder Tiger: Wie sich der früh entdeckte Tumor weiterentwickeln wird, ist nicht absehbar.
Brigitte M. Gensthaler
29.05.2019  11:00 Uhr

Die nicht invasive Diagnostik der Prostata war lange Zeit auf die digital-rektale Untersuchung, den PSA-Wert und den transrektalen Ultraschall (TRUS) beschränkt. Das Prostata-spezifische Antigen (PSA) ist aber kein Tumor-, sondern ein Organmarker. Das bedeutet: Der Blutwert steigt nicht nur infolge eines Tumors an, sondern auch bei einer Entzündung, Vergrößerung der Vorsteherdrüse oder mechanischer Belastung oder er kann angeboren erhöht sein.

Eine genauere Früherkennung erlauben Urinmarker, die auf der mRNA von Prostata-spezifischen Genen basieren, erklärte Professor Dr. Arnulf Stenzl von der Urologischen Universitätsklinik Tübingen beim Fortbildungskongress Pharmacon Meran. So ist PCA3 (Prostate Cancer Gene 3) ein nur in Prostatazellen vorkommendes Gen, dessen mRNA bei Karzinomzellen 60- bis 100-fach erhöht ist. Stenzl wies zudem auf den neuen Marker Select MDx hin, ein Rechenwert, der sich aus zwei spezifischen mRNA, PSA und klinischen Parametern wie Prostatagröße, Alter und familiäre Belastung zusammensetzt. Die neuen Marker sollen bei der Indikationsstellung für eine Biopsie helfen.

Beweisend für die Tumordiagnose ist die Gewebeprobe. In den letzten Jahren wurden die Biopsie-Techniken  deutlich verfeinert. So könne der Arzt die 3 bis 4 cm große Vorsteherdrüse mithilfe von TRUS mit der Biopsienadel genauer treffen. Sehr präzise sei die Entnahme in der Magnetresonanztomografie (MRT) mit einer nicht magnetischen Nadel. Allerdings ist die Methode zeitaufwendig: Ein MRT dauert etwa 45 Minuten. Ebenso wird versucht, Ultraschall und MRT zur Biopsie zu koppeln. Das Problem dabei: »Kleine Tumoren unter 5 mm werden meist nicht entdeckt«, erklärte der Urologe. Er rechnete vor, dass jährlich etwa 200.000 Biopsien nötig sind, um etwa 60.000 Prostatakarzinome aufzudecken. »Wenn man jedes Mal vorher ein MRT macht, sprengt dies den personellen und zeitlichen Rahmen.«

Technische Weiterentwicklungen erlauben es, den Anteil der positiven, also tumordetektierenden Biopsien auf knapp zwei Drittel zu erhöhen. Ein Drittel sei nach wie vor nicht zielführend. Dank der neuen Möglichkeiten gebe es einen »Trend zur personalisierten Biopsie«, sagte Stenzl.

Gleichwohl bleibt ein Problem: »Wir wissen nicht, wie sich der Krebs entwickeln wird.« Er könne hoch aggressiv werden – wie ein Tiger – oder den Mann über Jahre hinweg kaum belasten – wie eine Katze. »Auch kleine Tumoren können giftig sein, aber die Zellteilungsgeschwindigkeit ist vorab kaum zu erkennen.«

Konzept der aktiven Überwachung

Bei einem lokal begrenzten, nicht metastasierten Karzinom gibt es verschiedene Optionen, die die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie des Prostatakarzinoms erläutert (Stand 2018; AWMF- Registernummer 043 - 022OL). Die Patienten sollen über eine zeitnahe lokale Therapie mit Heilungsabsicht einschließlich des Konzepts der aktiven Überwachung (active Surveillance) sowie über abwartendes Beobachten und sekundäre symptomorientierte Behandlung (watchful Waiting) informiert werden.

Stenzl wies auf wichtige Unterschiede dieser Strategien hin: »Bei der aktiven Überwachung will man heilen, aber nicht jetzt.« Die Therapie werde verschoben und erst bei Auftreten eines signifikanten Tumors begonnen. Die Leitlinie definiert exakt, unter welchen Bedingungen diese Strategie möglich ist. Sie kommt in der Regel für Patienten mit einer Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren infrage.

Dagegen wird watchful Waiting für Männer mit kürzerer Lebenserwartung erwogen. Hier erfolgt ein patientenspezifisches Follow-up, bis Symptome auftreten. Dann werde der Patient palliativ behandelt.

 

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