Forschung für Long-Covid-Medikamente braucht noch Zeit |
Die Entwicklung eines Medikaments, das in absehbarer Zukunft allen Long-Covid-Betroffenen hilft und das Problem dauerhaft löst, halten Fachleute für ziemlich illusorisch. Scheibenbogen, die die Immundefekt-Ambulanz der Charité leitet, verweist auf Beispiele wie Multiple Sklerose und sagt: «Wir haben auch bei anderen komplexen Erkrankungen keine Medikamente, die allen helfen. Es sind fast immer nur 30 bis 50 Prozent, die wirklich gut ansprechen.»
Scheibenbogen leitet auch die Nationale Klinische Studiengruppe (NKSG) zu Post Covid und ME/CFS, die vom Bundesforschungsministerium 2022 und 2023 mit knapp zehn Millionen Euro gefördert wird. Mehrere klinische Studien sind geplant. Die Konzepte fußen teils auf Scheibenbogens jahrelanger ME/CFS-Forschung.
Sie geht davon aus, dass bei der Erkrankung sogenannte Autoantikörper eine Rolle spielen: eine Immunreaktion, die sich gegen den eigenen Körper richtet. «Wir haben schon 2015 die erste Studie zur Immunadsorption gemacht: ein Verfahren, bei dem Autoantikörper aus dem Blut ausgewaschen werden», sagt Scheibenbogen.
Mit der Förderung aus der Pandemie hat die Forscherin nun die Möglichkeit einer Folgestudie bei Patienten, die nach Covid-19 an ME/CFS erkrankt sind. Diese ist inzwischen gestartet. Eine größere soll in den nächsten Monaten folgen. Aber sie schränkt sogleich ein: «Das ist kein Verfahren für alle Betroffenen. Es ist enorm aufwendig und für Patienten belastend.» Der Vorteil sei, dass man schnell verstehe, bei wem dieser Ansatz wirksam sei. Der Plan: im nächsten Schritt Medikamente gegen Autoantikörper prüfen.
Eine Übersichtsarbeit im Fachblatt «Clinical Microbiology and Infection» vom Januar ermittelte rund 60 Medikamente, die derzeit in Long-Covid-Studien erprobt werden, etwa Entzündungshemmer und Immunsuppressiva, die schon für andere Krankheiten zugelassen sind.
Bei der NKSG stehen auch Studien zu Arzneistoffen, die bei der Durchblutung und Entzündung ansetzen, kurz vor Beginn oder sollen spätestens im Sommer anlaufen. «Wir werden dieses Jahr Ergebnisse haben zur Immunadsorption und zur Durchblutung», sagt Scheibenbogen. Alles Weitere hänge von Folgefinanzierung durch den Bund oder die pharmazeutische Industrie ab. Bisher stoße sie dort leider auf viel Ablehnung. Firmen machten erst mit, wenn die Autoantikörper-Hypothese belegt sei und man genau wisse, welche Patientengruppe geeignet sei.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.