Fixkombis empfohlen, aber kaum genutzt |
Daniela Hüttemann |
25.07.2024 17:00 Uhr |
Tabletten nehmen, obwohl man keine Beschwerden hat – da ist bekanntermaßen die Therapietreue nicht besonders hoch. Gleiches gilt, wenn die Tablettenlast sehr hoch ist. / Foto: Getty Images/Cagkan Sayin
In Deutschland wurden in den vergangenen fünf Jahren entgegen der Leitlinien-Empfehlungen immer weniger blutdrucksenkende Fixkombinationen verschrieben. Dabei handelt es sich meist um Kombinationen von zwei bis drei Arzneistoffen aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen, zum Beispiel Candesartan plus Hydrochlorothiazid (HCT) oder Ramipril plus Amlodipin.
Die Verordnungen für lipidsenkende Fixkombinationen wie Simvastatin plus Ezetimib oder Pravastatin plus Fenofibrat stiegen zwar langsam an, bewegten sich aber auf einem niedrigen Niveau. Das ergab eine Auswertung aller Abgabedaten von Antihypertensiva und Lipidsenkern für GKV-Versicherte ab der zweiten Jahreshälfte 2018 bis einschließlich erstes Halbjahr 2023, die jetzt im »Journal of Hypertension« veröffentlicht wurde.
Insgesamt stiegen bei den Blutdrucksenkern die definierten Tagesdosen pro 1000 Versicherte pro Tag (sogenannte DID) von 590,6 auf 624,8 DID. Der Anteil der Fix-Dosis-Kombinationen sank im selben Zeitraum jedoch von 74,1 auf 55,0 DID. Die Gesamtmenge aller Lipidsenker stieg ebenfalls: von 92,5 auf 134,4 DID. Hier nahm im Gegensatz zu den Antihypertensiva auch der Anteil der Fixkombinationen zu: von 3,1 auf 5,5 DID. Patienten älter als 80 Jahre bekamen dabei seltener eine Fixkombi als jüngere Patienten.
Sogenannte Mehrzweck- oder Polypillen zur Behandlung von zwei oder mehr kardiovaskulären Risikofaktoren wie Statin plus ASS oder Calciumkanalblocker wurden nur sehr wenig verordnet: zuletzt waren es 0,26 DID, schreibt das Autorenteam der kardiologischen Abteilungen der Universitätskliniken Saarland und Leipzig, des Deutschen Arzneiprüfungs-Instituts (DAPI) und des Pharmazeutischen Instituts der Freien Universität Berlin.
Die Experten empfehlen: »Sowohl in der Allgemeinpraxis als auch in ambulanten und stationären kardiologischen Kliniken sollte die Medikation der Patienten sorgfältig untersucht und, wenn möglich, Fix-Dosis-Kombinationen eingesetzt werden. Medikamentenschemata sollten, wann immer möglich, vereinfacht werden, um Adhärenz und Outcomes zu verbessern.«
Schätzungen gehen davon aus, dass 30 bis 50 Prozent der Patienten, die Medikamente zur primären oder sekundären Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einnehmen müssen, nicht adhärent sind. Frühere Studien konnten bereits zeigen, dass eine Reduktion der Tablettenlast durch Fixkombinationen die Adhärenz und kardiovaskuläre Outcomes verbessern können. Daher empfehlen beispielsweise die Leitlinien gegen hohen Blutdruck der European Society of Cardiology und der European Society of Hypertension bereits seit 2018 den Einsatz solcher Fixkombinationen. Die aktuelle Studie wertete den Einsatz solcher Medikamente ab diesem Zeitpunkt aus.
»Das primäre Ziel von Leitlinien ist, evidenzbasierte Empfehlungen zu geben. Mit der Umsetzung der Empfehlung, in der Pharmakotherapie der Hypertonie bevorzugt Fixkombinationen einzusetzen, hapert es in Deutschland aber erheblich. Und die Tendenz von 2018 bis 2023 war, zu unserer Überraschung, sogar negativ«, kommentiert Seniorautor Professor Dr. Martin Schulz gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung. »Es besteht daher dringender Bedarf, dies grundlegend zu ändern.«